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Dankmar: Ans dem Mutterlande des modernen Spiritismus. 607
platten. Auf meine erstaunte Frage, woher er das wisse,
antwortete er ungefähr: Er habe bei einer Experimental-
sitzung einen Hundegeist in vier Glasplatten eingeschlossen
gehabt, und dieser habe nicht hinausgekonnt. Ich (mit
verblüfftem Gesichte): „Woraus schliessen Sie, dass ein
Hundegeist in Ihrer Glaskassette war ?" Er (in unerschütterlicher
Euhe): „Das Phantom (oder der Kontrollspirit) sagte
mir, es wäre besagter Geist zwischen den Glasplatten und
jammere, nicht herauszukönnen.14 Bei solch monströsen Absurditäten
versagt Einem wahrhaftig die Fähigkeit der
Discussion! —
Mit Ausnahme der amerikanischen Spiritisten, die den
Spiritismus als eine neue religiöse Offenbarung betrachten,
ist (bei den Anderen) von ethischen Folgerungen nichts zu
hören. Ja man sagte mir sogar: es gäbe kein Ethik! —
Dieser ganze sogenannte Spiritismus mit seiner Geisterlehre
ist weiter nichts als — verkappter Materialismus,
in jeder, in erkenntnisstheoretischer und ethischer Hinsicht.
Und gerade, weil ich (wie Jeder, der mich aus meinen
Schriften oder persönlich kennt, weiss) überzeugter Spiritist
bin (und es. war, lange bevor ich an jenem sonnendurchwärmten
Herbstmorgen des 23. September 1899 in Hoboken
auf jenen Piers des „Norddeutschen Lloyd", welche eben jetzt,
in grauenvollster Weise Menschenleben verschlingend, abgebrannt
sind, meinen Fuss auf den Boden der „Neuen
Welt" gesetzt habe), so halte ich es für meine Gewissenspflicht
, gegen eine solche unwissenschaftliche und ethisch
rohe Spielart des Occultismus aufzutreten, die blos dazu
geeignet ist: feiner empfindende, wissenschaftlich gebildete
Menschen abzustossen.*) Man stützt sich blos auf möglichst
handgreiflich - derbe Phänomene; in ihnen sucht man die
Gewissheit der Unsterblichkeit; nicht vervollkommnen will
/ man sich, — blos das „liebe Ich" aus der Nacht des Todes
retten. Man kennt blos die am Scheine, am Stoffe haftende
Verstandesthätigkeit, — die ethisch-centrale Lebensthat eines,
aus geläutertem Wissen entspringenden Glaubens**)
kennt man nicht. Saloppes Experimentiren, Zänkereien,
Entlarvungen und Controversen — all* diese falsche Welt-
*) Dr. Nagel sagt so richtig „Uebersinnliche Welt" 1900, p. 69: „Es
ist die Pflicht alier Wohlmeinenden, in die Reihen der Offenbarungsspiritisten
die Auf klärung hineinzutragen, dass die Scheidewand zwischen ihrem Thuen
und demjenigen geistig Kranker eine dünne ist." Das gilt aber nicht etwa
blos von den amerikanischen, sondern auch von den deutschen Offenbarungsspiritisten
. Nomina sant odiosa!
**) Hebraeer XI, 1 steht geschrieben: „Es ist aber der Glaube «ine
gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und nicht zweifelt an dem, was man
nicht sieht/'
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