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620* Psychische Stadien. XXVII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1900.)
„plastische Substanz" — eine sich wie halbwarmes Wachs
anfühlende Masse — über das nur in unsichtbaren Umrissen
aufgebaute Gesicht des erscheinen wollenden Geistes legen
und mit diesem gleichsam verschmelzen, wobei erforderlichen
Falls auch falsche Haare in Anwendung kommen, um die
Erscheinung ähnlich der des Verstorbenen in seinem Erdenleben
zu gestalten« Bei der grossen Eile, welche die sich
einstellenden „Geister" haben, sich ihren anwesenden Angehörigen
kenntlich zu machen, sei es sogar schon vorgekommen
, dass eine weibliche Gestalt noch die Hälfte vom
Schnurrbart eines vor ihr erschienenen jungen Mannes auf
der Oberlippe gezeigt habe! — Dass nicht blos für den
Skeptiker, sondern für jeden unbefangenen Forscher eine
derartige „okkulte" Erklärung gegenüber der so naheliegenden
„natürlichen*4 Hypothese eines — absichtlich oder unbewusst
— verübten Betrugs a priori äusserst unwahrscheinlich,
bezw. undiskutirbar erscheint, und dass die zu ihrer Annahme
erforderliche Dosis von „okkultistischem Glauben" dem
normalen Sterblichen ohne handgreifliche Beweise kaum zu-
gemuthet werden kann, liegt auf der Hand, woraus Unterzeichneter
auch Freund Heckner gegenüber schon mündlich
durchaus kein Hehl gemacht hat, zumal da z. ß. seiner Zeit
bei der bekannten Entlarvung der (von Mrs. Marryat neben
ihrer intimen Freundin Mrs. Corner gleichfalls als unzweifelhaft
echtes Medium gefeierten) Amerikanerin Mrs. Williams
durch den Spiritisten P. G. Leymarie im November 1894 in
Paris ausser einer Puppe mit weissen, sehr leichten Schleiern
ein durch Bänder an ihrem Gürtel befestigter weiter Sack
mit Bärten, Perrücken, weissen Schleiern und Drahtspiralen
gefunden wurde. (Vgl. „Uebersinnliche Weit", Dezember
1894, Nr. 12, S. 208 u. ff.). —
Im Uebrigen glaube auch ich nun das Meinige zur Klärung
dieser Streitfrage und zur Eruirung der Wahrheit, soweit
mir dies im vorliegenden Fall noch möglich war, nach besten
Kräften gethan zu haben und könnte mir von einer weiteren
Fortsetzung dieser kaum neue Gesichtspunkte mehr bietenden
Polemik keinen Nutzen für unsere Leser versprechen. So
dankbar ich daher für die namentlich von Herrn Dr. med.
Schurtz, dem ganz unerwartet der unerbittliche Tod die
Feder aus der Hand genommen hat, noch in Aussicht
gestellten näheren Mittheilungen über Frau Demmler gewesen
wäre, in welcher wir zweifelsohne das bedeutendste Medium
zu erkennen haben, das bisher in Deutschland gewirkt hat,
glaube ich, da Herr Dr. Hotz selbst auf das ihm noch
zustehende Schlusswort zu verzichten scheint, diese Debatte
hiermit für geschlossen erklären zu dürfen.
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