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Kossuth: Das Newton'sche Gesetz als Grundprinzip etc. 625
wenn wir der Ursache eine körperliche, räumliche Existenz
zuschreiben, so müssen wir der Wirkung nothwendig eine
Idealität zuschreiben. Also sind „Materie" und „Kraft"
bezw. „Körper" und „Geist" nichtssagende Unterscheidungen,
und hat der Streit zwischen Realismus und Idealismus,
oder Materialismus und Spiritualismus gar keinen tieferen
Sinn.
Realismus und Materialismus erklären das Geistige,
die Kraft und Bewegung oder das Leben, nicht; sie können
ja nicht sagen, was „Materie41 ist! Dagegen Idealismus
und Spiritualismus erklären die Materie, den Körper nicht,
weil sie nicht sagen können, was der Geist ist.
Dieser Streit basirt, bewusst oder unbewusst, auf dem,
was Kant „Antinomieen der reinen Vernunft" genannt hat,
— und darauf, dass man trotz Kant noch immer nicht einsieht
oder eirsehen will, dass sowohl Raum wie Zeit, sowohl
Materie wie Geist oder Kraft, und überhaupt alle Gegensätze
oder Verschiedenheiten nur Wirkungen oder Thätig-
keiten einer sich selbst gleichen Kraft sind, in zwei
entgegengesetzten oder abweichenden Richtungen. Es
gibt keine absolute Synthesis, auch keine absolute Analysis;
es gibt nur einen Wechsel der beiden.
* *
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Wir haben gesehen, dass die Materie überall nichts
anderes als Wirksamkeit (Effektualität) ist. Das allgemeine
Gesetz der Wirkung im extensiven Räume kennen wir; es
ist das Newion'sche Gesetz. Dieses Gesetz muss auch für
die Zeit (für den intensiven oder ideellen) Raum gelten
und zwar aus dem Grunde, weil, wie wir gesehen haben,
Raum und Zeit wesentlich identisch sind und sich gegenseitig
bedingen.
Der Raum, die Extensität, unterscheidet sich von der
Zeit, der Intensität dadurch, dass eine jede Wirkung im
Räume rückgängig gemacht wird» d. h. an Richtung entgegengesetzt
wird in der Zeit, welche also nur ein Raum
ist mit negativer Extension oder Wirkung. Was wir
Intensität nennen oder was uns als solche erscheint und
die Verschiedenheiten der materiellen Körper ausmacht, ist
eine Extensität im geistigen oder negativen, subjektiven,
inneren Räume. Diese ist aber als Erscheinung für uns
die Zeit Polglich muss erstens die sinnliche Materialität
überhaupt, zweitens die elementaren oder chemischen Verschiedenheiten
des Stoffes und damit alle Kraftverhältnisse
und Aenderungen von Zeitbestimmungen irgend wie- abhängen
.
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