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Kossuth: Das Newton'sche Oesetz als Grundprinzip etc. 629
das Streben nach Vernichtung — oder das Resultat des
Strebens nach Konzentrirung der räumlichen Ausdehnung.
Nun aber: hat das Streben nach einer dreidimensionalen
Ausdehnung eine absolute Energie, so ist eine Dauer,
eine Zeit eo ipso von Anfang an und für immer unmöglich.
Sie ist aber da; folglich kann der Raum als Wirklichkeit
unmöglich unendlich (absolut) sein. Folglich kann ein
unendlicher Raum nur als Möglichkeit existiren,
ist aber nie und kann nie Wirklichkeit werden. Die Ursache
liegt in der Zeit, in welcher ein der Extension entgegenwirkendes
Streben liegt, in welcher thatsächlich alles
Räumliche immerwährend rückgängig gemacht wird, um
fortwährend ganz und gar neu zu entstehen. Raum ist
eben eine maximale Succession einer Wirkung in einem
minimalen Zeitraum (oder Zeitlänge); und Zeit ist eben
nur die Vorstellung oder das Gefühl eines Strebens in
anti-extensiver Richtung. Zeit und Raum stehen einander
gegenüber wie Aktion und Reaktion oder wie Kraft und
Widerstand; und eine jede Wirklichkeit besteht eben in
der Unmöglichkeit der absoluten Gleichzeitigkeit der Aktion
und der Reaktion, ist somit überall ein beständiger
Wechsel der Wirkungsrichtung in der Zeitfolge,
im zeitlichen Nacheinander. Man kann sagen: Raum ist
eine Wirkung in einer ideellen Zeit und Zeit ist Wirkung
in einem ideellen Räume.
Wird vom Zeitlichen abstrahirt, so muss das Räumliche
entstehen und umgekehrt. Beide sind das Resultat einer
geistigen Abstraktionsthätigkeit in zwei kontradiktorischen
Richtungen. In unserem Organismus (im menschlichen) ist
die Abstraktionsthätigkeit von der Zeit im konstanten
Uebergewicht; wir fassen ein Zugleichsein im Räume auf
(welches nur scheinbar ist), können aber kein Zugleichsein
in der Zeit, d. h. zwei zeitlich entfernte Punkte „zugleich"
auffassen, uns vorstellen. Mit anderen Worten: wir können
uns in der Zeit nur minimal bewegen. Für uns und für
jedes Subjekt an und für sich ist die Zeit eine konstante
(eine unveränderte, aber nicht unveränderliche) Grösse.
Anders: unser Abstraktionsvermögen vom Räumlichen ist
minimal.
Nebenbei bemerkt: das Zugleichsein im Räume ist kein
absolutes; sogar das Sehen ist nur eine ungemein schnelle
Succession eines Tastens. Umgekehrt müssen wir dem entsprechend
behaupten, dass ein Zugleichsein (aber auch hier
kein absolutes) auch in der Zeit möglich ist, woraus die
Möglichkeit einer anderen Räumlichkeit, ein geistiger Raum
sich ergiebt. Schon hier können wir ganz im allgemeinen
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