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630 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1900.)
die Folgerung ziehen, dass in dem Maasse, wie die
Schnelligkeit der Suceession im Geiste oder im Zeiträume
zunimmt, d. h. in dem Maasse, wie an die Stelle des räumlichen
Zugleichseins eine zeitliche tritt, in demselben Maasse
die Extension des Raumes dahin schwinden und damit die
Materialität geändert, relativ abgeschwächt, d. h. als Erscheinung
, als objektive Realität, hauptsächlich als sinnliche
Vorstellung verblassen muss, bis aus dem Körperlichen
eine Idee wird, welche aber dabei ebenso reell bleibt, wie
ein Körper mit der gröbsten Materialität. In diesem Zustande
wird einfach alles als zu einem einzigen, einheitlichen
Subjekt gehörend, die ganze Welt als ein einziger Organismus
erkannt, von welchem jeder einzelne Bestandteil dem
bewussten Willen ebenso unterthan und ebenso unmittelbar
unterthan ist, wie ein gewöhnlicher, in sich abgeschlossener
organischer Körper (ein organisches Individuum) dem bewussten
Willen gehorcht.
(Fortsetzung folgt.)
Naturwissenschaftliche Seelenforschung.
Bericht über Rud. Müller* s Hypnotisches Hellseh-Experiment.
Vom Redakteur Dr. Fr. Hafer.
(Portsetzung von Seite 566.)
Nur wenig, aber doch vortheilhaft unterscheidet sich von
diesen intellektualischen Willenshypothesen jene, welche
den (Gefühlen die Hauptbedeutung bei den Willens-
bewegungen zuschreibt. So meint z. B. Alfr. Lehmann — die
durch einen äusseren Reiz hervorgerufene Bewegung müsse
sich vom iäensorium aus, wo sie als gefühlsbetonte Empfindung
bewusst wird, verbreiten, körperliche organische Veränderungen
und damit unbestimmt gerichtete Innervationen
der willkürlichen Muskel (Unruhe, Zittern, Beben u. s. w.)
verursachen. Also auch hier sind es wieder Vorstellungselemente
, Bewegungsvorstellungen, welche als Wille bezeichnet
werden; nur wird die Wachrufung dieser schwachen Vorstellungen
nicht dem äusseren Reiz und seiner angeblich
bewusstseinbegleiteten Nervenerregung allein überlassen,
sondern auch der inneren Ernährungsthätigkeit ein Einfluss
eingeräumt, da ja Lust und Unlust als das psychische
Resultat des Verhältnisses zwischen Kraftverbrauch und
Kraftzufuhr dargestellt werden; immerhin streift aber diese
emotionelle Hypothese mehr an die Wirklichkeit.
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