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Maler: Naturwissenschaftliche Seelenforschung. 631
Des Längeren setzt sich Verf. mit der Lehre Schopenhauer
** auseinander, welcher darauf verweist, dass die
Empfindungen unserer Reizwirkung nicht die Gesammtheit
der Empfindungen erschöpfen, dass wir vielmehr auch noch
rein subjektive Zustände, die Gefühle, in unserem Bewusst-
sein vorfinden, die gar kein Objekt ausser uns betreffen.
Diese seien unmittelbare Wirkungen des Subjekts, das
Wirkende selbst aber sei der Willen, welcher nach ihm das
metaphysische Substrat des unmittelbar wirkenden Subjektes
bildet und dessen Begriff er dann, gerade weil unser Körper
nicht blos Subjekt, sondern auch Objekt ist, auf das unmittelbare
Wesen aller Wirkungen überhaupt ausdehnt, so
dass er an Stelle des unbekannten und gänzlich unwissbaren
Kanf sehen Dinges an sicha den Willen setzt; ein Fehl-
schluss, der für die ganze Schopenhauer'sehe Philosophie von
folgenschwerer Bedeutung wurde. Denn die Identifizirung
jeglicher Kraftwirkung mit dem als dem Wirkenden gleichbedeutenden
Willen ist durchaus unstatthaft, weil der Wille
auch in der Darstellung Schopenhauer's doch nur ein Theil
der Bewusstseinsfaktoren und zwar der subjektive ist. — Mehr
mit Kant als mit Schopenhauer stimmt Wundi in seiner
Willenslehre überein. Nach ihm bildet der Zusammenhang
unserer inneren subjektiven Erlebnisse das Bewusstsein; die
psychischen Erscheinungen selbst bleiben unerklärt, bezw.
unerklärbar. In diesem Zusammenhange aber mache sich
eine Gruppe von Vorstellungen, nämlich jene Sinnes- und
Bewegungsvorstellungen, die wir von unserem eigenen Leibe
empfangen, dadurch besonders geltend, dass sie sich zur
permanenten Vorstellungsgruppe des Selbstbewusstseins ausbilde
. Diese stets im Bewusstsein vorhandene Gruppe von
Vorstellungen, welche das Ich oder Subjekt ausmache,
entwickle eine eigene Thätigkeit, die als Thätigkeitsgefühl
empfunden werde und bestimmten, im Bewusstsein auftretenden
Vorstellungen sich besonders zuwende, sie aufmerksam
apperzipire. Drängen sich Vorstellungen dem Subjekt auf, so
sei dies die passive, sonst aber die aktive Apperzeption.
Von dieser Apperzeption durch die Ich-Vorstellungs
-Gruppe macht dann Wundi alles Mögliche
abhängig; sie wird nicht allein als eine aufmerkende, auffassende
und zusammenschliessende, sondern auch als eine
reagirende Thätigkeit hingestellt und ist auch die
primitive Willens thätigkeit. Thatsächlich ist aber das
Wundfsche Subjekt mit seiner angeblichen Apperzeptions-
thätigkeit ein dem Eanfschen transscendentalen Subjekt
nachgeahmtes Seijemen, eine blos vorgetäuschte Fiktion und,
da sie die Grundlage seiner ganzen Psychologie bildet, so
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