Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
27. Jahrgang.1900
Seite: 647
(PDF, 212 MB)
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Karze Notizen.

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um die Nietzsche'sehen Ideen noch heftig wogt, fast unmöglich
, ein Urtheil über die Bedeutung zu fällen, welche dieselben
für das geistige Leben Deutschlands und der Welt haben;
wahrscheinlich ist man geneigt, diesen Einfluss zu überschätzen
. Als Schriftsteller ist Nietzsche eine einzigartige
Erscheinung. Er vereint tiefe, durch ihre Neuheit und
Kühnheit überraschende Gedanken mit einem glänzenden
Stil, der zugleich über wahrhaft klassische Schönheit und
mächtiges Pathos, über alles psychologische Raffinement
modern nervöser und fein differenzirender Darstellung und
den schärfsten, schlagendsten Witz gebietet. Seine Stärke
ist, vom künstlerischen Standpunkte aus, der Aphorismus:
der geniale Einfall, zusammengedrängt in kurze Sätze, deren
Bann kein Leser entrinnen kann. Der Philosoph Nietzsche
hat dagegen zu sehr dem Aphorismus gehuldigt, und,
gewissermassen verführt von dem Schriftsteller, grosse Gedanken
, die ernsthafter Diskussion werth waren, mit vielem
Schiefen und Unhaltbaren, namentlich mit grossen, aus
einem gewissen Trotz und Oppositionssinn geborenen Ueber-
treibungen verquickt. Selbst die grössten Abhandlungen
Nietzsche1® sind meist eine Aneinanderhängung von Aphorismen
mit allen Fehlern und Vorzügen dieser mehr künstlerischen,
als wissenschaftlichen Art, Gedanken einzukleiden. Im Gegensatz
zu der Weltflucht des Christenthums und besonders zu
der Philosophie des „alten pessimistischen Falschmünzers"
Schopenhauer betont Nietzsche bekanntlich, dass der Mensch
sich ganz und mit stolzer Freude auf die Erde stellen und
nicht nach überlebten Moralgesetzen sein Leben einrichten,
sondern ohne Skrupel seinen Trieben folgen und seinem Willen
zur Macht ausgiebigste Geltung verschaffen solle. Mitleid,
Schonung des Schwächeren erscheinen dem „Uebermenschen"
als Schranken, mit denen die Schwachen und Feigen hinterlistig
den wahren und starken Menschen umzäunen wollen;
sie dürfen den aristokratischen Ichmenschen der Zukunft
nicht binden. — Die Philosophie Nietzsche*® kam dem Zeitgeist
entgegen: es ist schwer zu entscheiden, inwieweit die
Entwickelung des Individualismus auf ihn zurückzuführen ist.
Jedenfalls ist Nietzsche von Gegnern viel missverstanden und
übermässig verlästert, noch mehr aber von blinden Nachbetern
verhimmelt worden. Jeder kleine Litterat naschte
an dem starken Nietzsche*'sehen Trank und stammelte dann
trunken als Duodezausgabe des Uebermenschen ein grossartig
klingendes leeres Phrasengewäsch. Nietzsche selbst,
der zarte, nervöse, weich empfindende Mann, war eigentlich
die beste Widerlegung des starken, harten Uebermenschen.
Wenn wir ihn als Philosophen minder schätzen, so muss


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