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674 Psyohisohe 8tudien. XXVII. Jahrg. 11. Heft. (November 1900.)
kann ja ebenfalls mit Absicht geschaffen worden sein.
(Prästabilirte Harmonie der Monaden). Ja, wir können auch
weiter annehmen, dass dieser Weltwille einzelne Theile des
Schemas vor anderen bevorzugte und sie so gestaltete, dass
sie für individuelle Wesen von Nutzen sind. Das ist z. B.
der Fall mit den Sonnen- und Mondfinsternissen, welche für
die Astronomen von der allergrössten Wichtigkeit sind,
trotzdem aber nur als ein Beiwerk der Schöpfung betrachtet
werden müssen, da es schwierig, wenn nicht vielleicht unmöglich
wäre, ein Sonnensystem zu konstruiren, in welchem
Finsternisse nicht vorkämen. Es ist indessen durchaus nicht
unvernünftig zu behaupten, dass dieser Umstand einer der
in dem Weltplane besonders beabsichtigten Punkte sei.
Der Unterschied zwischen Zufall und Kausalität ist
theoretisch ein sehr scharfer. Kausalität ist eine ununterbrochene
Kette von Ereignissen, von welchen jedes durch
die Summe der vorhergehenden genau bestimmt ist und
andererseits zu den Bedingungen beiträgt, welche das folgende
Ereigniss determiniren. Den Zufall kann man entweder als
eine beständige Unterbrechung einer Reihe von kausal
zusammenhängenden Ereignissen betrachten, oder als die
Zersplitterung einer langen Reihenfolge in eine Anzahl von
kleinen , kurzen, von einander getrennten Folgen von Geschehnissen
; welche sich untereinander nicht mehr beeinflussen.
Es ist, wie schon oben erwähnt, manchmal schwierig,
zu beurtheilen, ob eine Koinzidenz das Werk des Zufalls
oder der Kausalität ist; doch giebt es hierfür einige leitende
Gesichtspunkte. Wenn z. B. zwischen zwei Dingen eine
genaue und detaillirte Uebereinstimmung besteht, werden
wir die Gewissheit haben, dass dieselbe nicht zufällig ist.
Theoretisch allerdings wird dies durch keine noch so grosse
Uebereinstimmung bewiesen. So bemerkt Dr. Venn in seiner
„Logic of Chance": Wenn alle Buchstaben des Alphabets
in einem Sack enthalten sind, und wir immer einen Buchstaben
ziehen und dann wieder zurückthun, werden sich im
Allgemeinen zunächst nur sinnlose Zusammenstellungen von
Buchstaben, schliesslich aber, wenn wir lange genug damit
fortfahren, auch einzelne Worte ergeben. Ja, man würde*)
auf diese Weise ganze Wortgefüge, selbst ganze Bücher
etwa Milton's „Verlorenes Paradies" erhalten, wenn auch
hierzu ein unvorstellbar langer Zeitraum gehören würde.
Praktisch aber kann man von dieser theoretischen Möglichkeit
ganz absehen, und daher immer eine grosse
*) Vergl. Revel, System der Natur, S. 96 u. ff. und S. 201 Anm.
Red.
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