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Wolff: Inhalt des Part. XXXV, Vol. XIV der „Proceedings etc. 675
Übereinstimmung für nicht zufällig halten. So existiren
beispielsweise in der buddhistischen und christlichen Religion
eine Anzahl Legenden, die einander so ähnlich sind, dass
sie auf einen gemeinsamen Ursprung hinweisen. Auf einen
solchen kann man auch schliessen, wenn die Aehnlichkeiten
zwar nicht besonders auffällig sind, dafür aber sich mehrmals
wiederholen. Dies ist z. B. der Fall mit der Sage von
Jason und Medea, welche in ähnlicher Form in der Mythologie
einer ganzen Reihe von Völkern vorkommt. —
Der Zufall ist keineswegs die Unterbrechung der
Kausalität, sondern nur eine eigenthümliche Verwandtschaft
von Ursachen unter einander. Man kann also die Herrschaft
des Zufalls in der Natur zugeben, ohne deshalb annehmen
zu müssen, dass die Naturereignisse des gesetzmässigen
Zusammenhangs entbehren. Denn neben den theilweise
bekannten Gesetzen der Kausalität sind noch die weniger
bekannten Gesetze des Zufalls in Berücksichtigung zu ziehen.
Wie schon oben erwähnt, betrachten wir scheinbar zufällige
Koinzidenzen von Ereignissen, welche sich aber für ein
Individuum als vortheilhaft erweisen, als mit Absicht herbeigeführt
. Ist es nun so absurd, dasselbe Argument auch auf
Ereignisse anzuwenden, die sich der menschlichen Kontrolle
entziehen, und zu behaupten, dass Geschehnisse, welche für
ein Individuum von ganz besonderem Nutzen sind, eine
gewisse Absichtlichkeit erkennen lassen, wenn auch selbstverständlich
das erwähnte Argument kein Beweis für das
Vorhandensein eines solchen aussermenschlichen Willens ist?
Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass wir ja nicht
wissen, was für die einzelnen Individuen von Vortheil ist.
Eine optimistische Philosophie wird alles für das Beste
halten, woraus dann die Folgerung sich ergäbe, dass Absicht
sich in allem, nicht nur in gewissen Fällen manifestire; dies
scheint in der That die einzige philosophische Erklärung
des Zufalls zu sein.
II. Kapitel.
Die Gesetze des Zufalls können nur an künstlichen
Zufallsreihen studirt werden. Nehmen wir z. ß. Würfe mit
einem Pfennigstück. Die Erwartung, ob die Vorder- oder
Rückseite der Münze oben liegen wird, was man auch
subjekthe Wahrscheinlichkeit nennen kann, ist gleich */,.
Die objektive Wahrscheinlichkeit bezieht sich auf das, was
wirklich geschieht, und ist für ein einzelnes Ereigniss, z. B.,
dass der Pfennig auf die Rückseite fallen wird, entweder
1 oder 0. Die Erwartung eines einzelnen Ereignisses kann
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