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676 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 11. Heft. (November 1900.)
niemals mit seiner objektiven Wahrscheinlichkeit übereinstimmen
, da wir ja nicht bestimmt voraussehen können, ob
der Pfennig auf die Vorder* oder Kückseite fallen wird.
Sobald wir aber von objektiver Wahrscheinlichkeit in Beziehung
auf eine Reihe von Ereignissen, d. h. von der
verhältnissmässigen Häufigkeit der verschiedenen Ereignisse
sprechen, wird die subjektive Wahrscheinlichkeit, oder
Erwartung, um so genauer mit der objektiven Wahrscheinlichkeit
übereinstimmen, je länger die Versuchsreihe ist.
Im Leben hängt unsere Erwartung eines bestimmten
Ereignisses nicht nur von der objektiven Wahrscheinlichkeit
desselben ab, sondern noch von einer grossen Menge anderer
Umstände. Wer sich z. JB. in grosser Gefahr, etwa in einer
Schlacht befindet, wird vielmehr an einen üblen Ausgang
glauben, als es nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung
eigentlich anzunehmen wäre.
Bei einer gewissen Art von Koinzidenzen spielt die
Erwartung eine grosse Rolle. Wenn man untersucht, ob die
Erscheinung eines Sterbenden durch Telepathie verursacht
worden ist, oder in der Besorgniss des Sehers über die
betreffende Person ihren Grund hat, ist es nicht so wichtig
zu wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Tod der
Person zu erwarten war, als vielmehr welchen Grad von
Gefühlsinteresse der Seher für die Person hatte, und in
welchem Masse dieses Interesse seine Erwartung beeinflusste.
Der Rest des Kapitels ist einer äusserst eingehenden mathematischen
Untersuchung der Resultate einer künstlichen
Zufallsreihe gewidmet.
III. Kapitel.
Sektion I: Augenscheinlich zufallige Koinzidenzen.
Aus der Fülle der von Fräulein Johnson angeführten
Beispiele will ich nur folgenden Fall herausgreifen. Der
Bericht hierüber von dem Rev. 0. W. Bingham ist in „Notes
and Queries" 5. Serie, Bd. XII, pag. 111, 9. August 1879
veröffentlicht worden und lautet:
„Bis vor einigen Jahren enthielt das Geistlichen-Ver-
zeichniss den Namen eines sehr achtbaren Priesters, der,
obgleich in keiner Weise mit mir verwandt, denselben Vor-
und Zunamen wie ich hatte. Wir waren einander vorgestellt,
hatten aber keine Gelegenheit gehabt, unsere Bekanntschaft
zu kultiviren.
Im Jahre 1867 besuchte ich zufällig die Pariser Welt-
Ausstellung, und als ich eines Morgens durch die Gebäude
ging, wurde meine Aufmerksamkeit auf eine Anzahl von
Bibeln gezogen, welche von der britischen und ausländischen
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