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680 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 11. Heft. (November 1900.)
Also besitzt ein jedes Ding ein Vorstellungs- oder Empfindungsvermögen
und Willen. Die Vorstellungen der Einzelwesen
haben alle denselben Grund und wesentlich dieselben Urformen
. Dieser Grund, diese Urformen sind Raum und
Zeit. Die Subjektivitäten der Einzelwesen unterscheiden sich
also nur dadurch, dass sie alle einen Raum und eine Zeit
für sich haben, d. h., wie schon gesagt, dass ein jedes ein
konstantes Verhältniss des Räumlichen zum Zeitlichen für
sich hat, welche aber alle ganz gleichwertig sind. Dies
ist also so zu verstehen, dass z. B. die Entfernungen für
das Subjekt einer Spielkugel innerhalb dessen eben so gross
erscheinen oder vorgestellt werden, wie für das Subjekt des
Erdballs, weil das Zeitmaass bei vorigem genau um ebenso
viel ausgedehnter ist, um wie viel die Entfernungen kleiner
sind; oder auch: weil zu Folge dessen ein jedes Einzelwesen
für sein Subjekt eine relative Unendlichkeit ist, so
haben die Raum- und Zeitelemente in jedem Einzelwesen
verschiedene relative Grössen, die aber an sich vollkommen
gleichwerthig sind. Noch deutlicher: in einem Zeitmoment,
wenn er auch noch so klein ist, können noch immer unzählige
Aenderungen (nur immer einfachere) stattfinden,
wenn nur das Subjekt eine entsprechend grössere Raumvorstellung
hat, d. h. wenn die Raumdimensionen ideell
entsprechend vergrössert werden.
Daraus folgt, dass, jemehr Aenderungen in
einer konstanten Zeitlänge stattfinden
und vorgestellt werden können, umso mehr
der Raum ideell vergrössert gedacht werden
m u s s. Umso grösser wird die Annäherung zu anderen
Subjekten (zu anderen Vorstellungen, anderen Welten), umso
grösser wird die Zahl der Vorstellungen in einer und derselben
Zeitlänge, d. h. umso grösser wird die Sphäre der
Objektivität der Vorstellungen, welche aber, indem
sie an Zahl, an Vielheit zunehmen, an Intensität (Materialität
) verlieren; — aber damit auch nothwendig umso
kleiner oder schwächer wird das Subjekt oder die Willenskraft
, wobei aber wieder der Verlust an dieser Kraft in
der geschwächten Materialität und in der grösseren Unmittelbarkeit
des Wirkens einen vollkommenen Ersatz findet.
Und umgekehrt: je weniger Aenderungen in einer und derselben
Zeitgrösse vorgestellt (oder empfunden) werden, umso
geringer wird die Raumvorstellung, umso grösser aber die
relative, entsprechende Zeitausdehnung; die Objektivität, die
Vorstellungssumme, die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen
nimmt ab (aber wie oben: indem sie an Zahl, an Vielheit
verliert, nimmt sie an Intensität zu), dagegen nimmt das
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