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Maier: Naturwissenschaftliche Seelenforsehung. 687
Naturwissenschaftliche Seelenforschung.
Bericht über Rud. Müllems Hypnotisches Hellseh-Experiment
Vom Redakteur Dr. Fr. Jüaier.
(Fortsetzung von Seite 689.)
Von besonderem Interesse für den Psychologen ist der
12. Abschnitt des Werks, in welchem sich Verf. über Schlaf
und Traum (Kapitel XXVIII), Suggestion (XXIX) und
Hypnose (XXX) verbreitet. Das hervorragendste objektive
Merkmal des Schlafes ist das Fehlen der Willkürbewegungen,
bezw. der Innervation der Willkürmuskulatur überhaupt.
Dass die Behauptung Forefs u. A., das Bewusstsein sei
im Schlaf nur „dissoziirt" und beim Erwachen sei „die
Erinnerungskette abgerissen44, unrichtig ist, geht schon daraus
hervor, dass Bewusstsein und Willkürmuskei-Innervationen
mit einander einen untrennbaren Zusammenhang bilden.
Der normale tiefe traumlose Schlaf besteht in der Re-
duzirung der psychischen Funktionen auf den organisirenden
vegetativen Theil. Anders ausgedrückt: Der Schlaf ist
die Koncentration der psychischen Funktion auf
die organisirende Thätigkeit durch Verminderung
der subjektivischen und damit verbundener
Suspendirung der psychologischen Thätigkeit.
Mit fortschreitender und sogar erhöhter vegetativer Thätigkeit
schafft sich jedoch der Organismus selbstthätig neue
Reize, die allmählich anwachsen; es werden von neuem
subjektivischeNeurocymen in die subkortikalen
Centren entsendet, womit eine vermehrte Blutzufuhr
zum Grosshirn verbunden ist; in die Grosshirnrinde strömen
von den subjektivisch neu geladenen Zellen und Repulsaten
die subjektivischen Neurocymen; die erschlafft gewesenen
Gehirntheile schwellen wieder an, stellen die centralen Endapparate
der Aussensinnorgane zur Funktionirung bereit;
es entstehen wieder Bewusstwerdungen, Vorstellungen,
Urtheile, Erkenntnisse und Willensimpulsirungen, — der
Schlafende ist erwacht. Dadurch, dass das Müdigkeitsgefühl,
die Willensidee des Schlafes selbstständig reaktivirt
wird, obschon die Schlafidee an und für sich keineswegs Ursache
oder auch nur alleinige Bedingung des Schlafes ist,
ist die Entstehung des Schlafes durch sie psychologisch
bedingt. Traum ist Bewusstsein ohne (starke) Wirklichkeitsvorstellungen
, daher ohne objektivische
Impulsirungen und ohne Willkürmuskel-Impulse.
Weil im Schlaf die Funktion des Wahrnehmens sistirt ist,
so kann auch im Traum eine Kritik nicht stattfinden; die
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