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Dankmar; Zu meinen Erlebnissen im Mutterlande etc. 735
Männer der Finanz- und Handelswelt keine Woche verstreichen
lassen, ohne eine Sitzung zu besuchen, „um nur
den durch das Medium einigermassen beeinflussten Offenbarungen
der sich kundgebenden transscendentalen Wesen
zu lauschen/4 Das ist es ja gerade! Statt die Thatsache,
dass und wie eine Botschaft zu Stande kommt, nach
wissenschaftlichen Regeln zu erforschen, staunen sie den
Inhalt der Botschaft an. Und gerade dieses „Lauschen auf
Offenbarungen", diesen Offenbarungsspiritismus mit seinen
vorschnell übereilten Schlussfolgerungen und seiner Geisterhypothese
als einzigem Erklärungsprinzip bekämpfe ich ja,
— nicht die Phänomene an sich. Diese Herren mögen
in ihren speziellen Fächern recht tüchtig und „smart"
sein, aber ihren Befähigungsnachweis zur wissenschaftlichen
Behandlung des Spiritismus haben sie erst noch
zu erbringen. —
Dem von Herrn Dr. Falk Schupp (Febr.-Heft 1900, p. 97
dieser Zeitschrift) gefällten ürtheil kann ich nur ganz und
gar beistimmen: „Gerade an metaphysisch und philosophisch
geschulten Köpfen fehlt es in Amerika bis zum heutigen
Tage völlig und productive Arbeiten solcher Art giebt es
dort überhaupt nicht." Das beweist die in Europa im
Original und in Uebersetzungen wohlbekannte Litteratur
Amerikas. Bei den meisten Spiritisten drüben ist das
Wollen grösser, als das Können; und da bei dieser jungen,
so rapid gewachsenen Kultur gar keine Tradition vorhanden
ist, so entbehrt die Wissenschaft drüben des oft so notwendigen
Oonservatismus, was ja seine guten, aber auch
seine schlimmen Seiten hat. Wenn auch — nach Aksakow
— nur ein relativer Beweis für die Identität der sich
manifestirenden Intelligenzen möglich ist, so muss dieser
doch wenigstens angestrebt werden, so muss doch mit
möglichster Vorsicht experimentirt werden, so dürfen doch
keine so voreiligen Schlüsse gezogen werden; dann wird
gerade Amerika, ein Land, das mir persönlich, in
politischer Hinsicht, so sehr sympathisch ist und das die
herrschende Rasse der Zukunft in seinem Schosse birgt, mit
seinem Medienmaterial, wie Edmonds einst sagte; „der Welt
die Wahrheit eines anderen Lebens ersehliessen." In seiner
heutigen, unfertigen Gestalt aber ist der amerikanische
Spiritismus wohl im Stande, persönlich durch ganz subjectiv
wirkende Erlebnisse den Einzelnen zu überzeugen, nie
aber die Allgemeinheit. Da er den Spiritismus durch
den Spiritismus, und nicht aus der Verlängerungslinie der
schon anerkannten Wissenschaften heraus beweisen will,
so kann jener so niemals zur allgemeinen Anerkennung ge-
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