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T66 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1900.)
hatte unter der durch die Rönlgerische Entdeckung geschaffenen
Erregung zu leiden. Mittlerweile hat Le Bon seine Versuche
fortgesetzt und ist dabei zu Ergebnissen gelangt, die vielleicht
noch erstaunlicher sind, als seine früheren Behauptungen,
aber um Vieles klarer und glaubwürdiger, zumal da es sich
um Experimente handelt, die beinahe Jeder, der sich im
Besitze eines photographischen Apparates befindet, ohne viele
Umstände nachmachen kann. Irrthümer oder unrichtige
Angaben könnten also dabei nicht lange verborgen bleiben.
Das Wesentliche an dieser neuen Entdeckung lässt sich in
wenigen Worten sagen: Die meisten Stoffe behalten, wenn
sie für wenige Sekunden dem Tageslichte ausgesetzt gewesen
sind, auf eine geraume Zeit hinaus die Fähigkeit, in völliger
Dunkelheit auf die photographische Platte zu wirken.
Dabei ist nicht etwa nur von solchen Stoffen die Rede, die
das aufgesogene Tageslicht in sichtbarer Phosphorescenz
eine Zeit lang ausstrahlen, sondern von allen möglichen Substanzen
, diet aus dem Hellen ins Dunkle gebracht, durchaus
jeder sichtbaren Leuchtkraft entbehren. Le Bon
belegt diese Fähigkeit mit dem Namen „Luminescence
invisible" (unsichtbares Leuchten) und weist darauf zurück,
dass sie an einigen Stoffen schon von Niepce de St Victor,
einem der genialsten Begründer der Photographie, gefunden
wurde. Das unsichtbare Leuchten folgt bei Stoffen, die durch
das Tageslicht zu einer sichtbaren Phosphorescenz veranlasst
werden, auf letztere, tritt aber auch bei Stoffen ein, die
jeder sichtbaren Phosphorescenz entbehren. Die Beschreibung
einiger ganz einfachen Versuche wird den Vorgang völlig
klarstellen. Man nimmt einen mit Grips übertünchten Schirm,
setzt ihn auf einige Sekunden dem Tageslichte aus und
bringt ihn dann in eine vom Lichte völlig abgesperrte Dunkelkammer
, wo er 24 Stunden in einer Sohrankschublade belassen
wird. Nimmt man ihn dann wieder hervor, so ist er
für das Auge vollkommen dunkel. Legt man ihn aber auf
ein photographisches Clichö, unter dem sich eine photographische
Platte befindet, so entsteht auf letzterer ein
Bild, und zwar ein sehr kräftiges, innerhalb 2 Stunden,
wenn 3 Tage seit der Belichtung des Gipssehirmes vergangen
sind, in 12 Stunden nach 15 Tagen, in 30 Stunden nach
25 Tagen, in 40 Stunden nach Verlauf von 6 Monaten.
Nach l*/t Jahren nach der Belichtung des Gipsschirmes
erhält man — freilich sehr schwache — Spuren eines Bildes
nach einer Exposition von 60 Tagen. Daraus schliesst Le Bon,
dass das in 2 Secunden in den Gipsschirm eingedrungene
Tageslicht etwa t*/2 Jahre braucht, um sich wieder daraus
zu zerstreuen. Dieser Zeitraum ist übrigens fast derselbe,
in dem gewisse elektrische Körper (Paraffin, Schwefel u. a.)
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