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Kurze Notizen.
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rem in partem" regenerierten Typus entwickelt; er bedankt
sich für seine Vorfahren und freut sich, dass er nicht wie sie
geartet ist. Lombroso's Theorie ist scharf angefochten worden;
— man entgegnet, dass das, was er als anthropologischen
Typus bezeichnet, Kennzeichen pathologischen
Ursprunges seien und dass die bei Verbrechern häufig beobachteten
Entartungszeichen nicht spezifisch seien und
keinen Anlass gäben, einen besonderen Verbrechertypus
aufzustellen, und zwar dies um so weniger, als man bei
vielen Verbrechern diesen Typus nicht anträfe; auch beweise
die Anatomie die Irrigkeit der Lombrosof sehen
Theorie bezüglich der Anomalitäten des Gehirns. Lombroso
nimmc nun für diesen besonderen Typus hinsichtlich des
geistigen Verhaltens das moralische Irresein in Anspruch;
— er gewährt ihm somit von vornherein das Recht, gebotenen
Falles die Verantwortlichkeit für die That von
sich zu wälzen, da sie, im Zustande geistiger Störung begangen
, strafrechtlich nicht zu verfolgen ist. Damit wäre
für eine ganze Reihe von Verbrechern, vorausgesetzt, dass
sie „typische" sind und Lombrosoh Theorie vom Strafrichter
anerkannt würde, nicht der Richter, sondern lediglich der
Psychiater derjenige, der sich mit ihnen zu beschäftigen hätte
und dies nicht nur, wenn sie durch die That bewiesen hätten,
dass sie typische Verbrecher sind, nein, auch ohne That
schon dann, wenn sie als degeneriert erkannt wären durch
äussere und innere Merkmale. Da nun aber erfahrungs-
gemäss die gleichen Anomalien sich häufig auch bei durchaus
normalen Menschen vorfinden, so erhellt daraus ohne
Weiteres das Unhaltbare der Lombroso'sehen Lehre, denn
sie würde zu ganz absurden Konsequenzen führen. Berkhan
nimmt darum auch an, dass ein Verbrechertypus als solcher
nicht existiert, dass aber dennoch die Lehre Lombrosds einen
Kern der Wirklichkeit enthalte, und zwar insoweit, als es
sich um den von psychischer Störung freien Gewohnheitsverbrecher
handle, den er moralisch verderbt oder sonstwie
nennen will; für diese fordert er schon von Kindheit an
besondere Erziehungsanstalten mit besonderer Schulbildung
und ärztlicher Behandlung. Berkhan verlangt hier zweifellos
das Richtige. Die Internierung gewohnheitsmässiger
Verbrecher ist ebenso nothwendig wie die gefährlich Geisteskranker
: auf keinen Fall aber darf man Gewohnheitsverbrecher
dem Strafrichter entziehen, wenn sie lediglich
„typisch'* sind und nicht gleichzeitig an krankhafter
Störung der Geistesthätigkeit leiden, welche die freie
Willensbestimmung ausschliesst.
f) Seemanns-Aberglaube. Wie vor Kurzem in
den Zeitungen zu lesen war, hat die gesammte Bemannung
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