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780 Psychische Studien. XXVII. Jahrg. 12. Heft (Dezember 1900.)
raffinirt vorbereiteten Betrug; am 29. Mai 1897 wurde Frau Rothe vom
Schöffengericht Zwickau wegen „groben Unfugs"(!) bestraft. Nach
Dr. B.'s sachkundigem Urtheil arbeitet sie unter den Bedingungen
eines Taschenspielers, nicht eines Mediums, bei blendendem
Licht in wechselndem Theilnehmerkreis, dessen Lärm sie nicht stört,
und ohne nachherige Erschöpfung; physikalische Erscheinungen
bewirkt sie, wie der Prestidigitateur, nur wenn die Aufmerksamkeit
nicht auf ihre Person gerichtet ist. Dabei hat sie ein kleines Programm
, so dass sie ohne den Nimbus des Mediums gar nicht wagen
könnte, damit vor die Oeffentlichkeit zu treten. Sie besitzt aber
psychologisches Talent und vor allem den Glauben an sich selbst,
welcher durch das von ihr selbst gewählte leichtgläubige Publikum
noch bedeutend erhöht wird. Eben deshalb neigt Unterzeichneter,
ohne sich auf Grund fremder Beobachtung aus zwei Sitzungen selbst
ein endgiltiges Urtheil anzumassen, gleichfalls der Ansicht zu, dass die
autosuggestiv wirkende feste Ueberzeugung, ein von Gott zu
Geisterraittheilungen auserkorenes Werkzeug zu sein, sie die scheinbar
betrügerischen Handlungen mehr und mehr unbewusst und eben in
dem Glauben begehen lässt, dass die „Geister" ihr eingeben, bezw.
z umuth en, was sie thun solle, um die Gläubigen von ihrem magischen
Eingreifen zu überzeugen. — Bei dieser Sachlage und bei der Gründlichkeit
der ßo/m'schen Kritik, deren wissenschaftliche Exaktheit und
Objektivität nur Glaubensfanatiker bestreiten könnten, muss abgewartet
werden, ob Frau Hol he sich entsehliesst, unbefangenen und
wissenschaftlich gebildeten Forschern erneute Beweise ihrer
Mediumschaft zu geben. Dem Vernehmen nach hat ihr die „Gesellschaft
für wissenschaftliehe Psychologieu zu München hierzu bereits
Gelegenheit geboten, so dass wir von dort ausführlichen Bericht
erhoffen. Auch Prof. Sellin (Adr Berlin, W, Ansbacherstrasse 47, III)
wäre, wie auch Unterzeichneter, gewiss gerne bereit, die Dame gelegentlich
— aber ohne Verwendung einer herabhängenden Tischdecke
! — zu prüfen und, falls dann aie von Dr. Hohn vorgebrachten,
sehr schwer wiegenden Verdachtsmomente sich als zu weitgehend
oder nicht begründet herausstellen sollten, für die Echtheit ihrer
Mediumschaft einzutreten.
Tübingen, im November 1900. Dr. F. Maier.
Dr. Bemdt: *9Das Buch der Wunder und der Geheimen
Wissenschaften." Mit zahlreichen Textillustrationen. Erscheint in
30 wöchentlichen Lieferungen ä 50 Pfg. Verlag von Oswald Mutze,
Leipzig. Lieferung 17 20.
Wie eine grosse Rechtfertigung des Glaubens an die Menschheit mutet
das hier angezeigte Buch von Dr. Bemdt mehr und mehr an. Zahllose
Berichte und Erzählungen, die von jedem Gebildet-sein-wollenden als
Märchen, Priesterbetrug und fromme Legende betrachtet wurden, finden
hier vom Standpunkte der Naturwissenschaft ihre Rechtfertigung und Erklärung
. Namentlich interessant und übrigens praktisch von grosser
Wichtigkeit ist in dieser Hinsicht das in den heute vorliegenden Heften
behandelte Kapitel „Merkwürdige und Wunderkurenu, in dem der
Verfasser Gebetsheilungen, magische Kuren, Krankenbeschwörungen, die
Lebensverlängerung durch Anhauchen, die Beziehungen zwischen Wunderkuren
einerseits, Liebe und Körperkraft andererseits und vieles andere
behandelt. Dr. Ii.
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