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40 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 1. lieft. (Januar 1901.)
Nahrung in unseren Organismus eingeführten und zum Theil
in ihm aufgenommenen Energiekomplexen jene hoch kom-
plizirte Synthesis zu Theil werden zu lassen, wie
sie für die p s y e h i s e h e Energie, die im Mensehen am
vollkommensten unter allen uns bekannten (N.B.!) Lebewesen
zur kinetischen Entfaltung gelangt, zu ihrer erfolgreichen
Bethätigung am passendsten ist.
So lange wir leben, suchen wir in der objektiven
Aussen weit nach Nahrung; ihr Verdauen, ihre Assimilation
ist aber nicht mehr Zweck der Rewusst werdungen, es gehört
(nach der feinen Unterscheidung des Verf.) zu den psychischen,
nicht zu den psychologischen Zwecken (Mittelzwecken). Die
psychischen Zwecke, welche den psychologischen nachfolgen,
sind schon nicht mehr solche, welche unser Bewusstsein tan-
giren. Als persönliche, mit Bewusstsein d. i. mit Erkennt-
niBS und Willensbethätigung begabte Individuen sind für
uns die psychologischen Zwecke die nächsten,
und da das Kennenlernen, Erkennen und Urteilen nur
das Mittel zum Zweck des individuellen Wollens und Handelns
ist, so ist die Befriedigung des subjektiven
Willens der nächste Zweck der psychologischen Bethätigung
des Bewusstseins,
Allein der Daseinszweck des hoch entwickelbaren und
entwickelten menschlichen Bewusstseins ist nicht ein so eng
begrenzter.
Die im primitiven Bewusstsein entstehenden, Befriedigung
erheischenden Willensideen sind auf Erreichung
von Nahrungsobj ekten, später auch noch von andersgeschlechtlichen
Gattungsgenossen zur Stillung des
Begattungshungers gerichtet Alles was der Befriedigung
dieser beiden primitivsten natürlichen Willensarten
, resp. den Bedürfnissen des Hungers und der Liebe,
förderlich ist, wird als angenehm, recht oder gut, das Gegen-
theil als unangenehm, schlecht oder böse empfunden, indem
diese beiden primären Willensideen in ihrer Richtung sich
zugleich mit dem Zwecke des universalen Veränderungsprozesses
decken. Da wir aber die Gesa mm theit aller
erfahrbaren Energieen als Natur bezeichnen, so
können wir sagen, dass mit unsern primären Willensideen
der Wille der Natur, bezw. der Welt wille in uns b e -
wusst wird. Und so sind denn auch die vielumstrittenen
Begriffe „gut und böse'1 keineswegs nur relative und nach
den wechselnden Anschauungen beliebig wandelbare Begriffe,
sondern sie haben streng genommen nur dort Geltung, wo
sie ein Verhältniss der Zweckmässigkeit oder Zweckwidrigkeit
zum Willen der Natur zum Ausdruck bringen,
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