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Unger: Das Gerolzhofener Hexenbrennen.
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rückten Leute (soweit es nicht ganz Unschuldige waren) so
schwungvoll inszenirten, niemals die Unhaltbarkeit ihrer auf
Zauberei u. s. w. begründeten Anschuldigungen geahnt haben
sollten, wo doch gerade in jenen politisch-stürmischen Zeiten
die Pflege der Wissenschatten zu einer Art Privilegium des
Klerus geworden war. Und sicher ist, dass, als im Jahre
1616 der schon genannte Würzburger Bischof Friedrich von
Wirsberg alle „Centgrafen" nach Gerolzhofen zusammen
berief, und ihnen den strengen Auftrag ertheilte, von nun
an das Hexenbrennen mit Nachdruck zu betreiben,
jedenfalls aber an jedem, nicht auf einen Festtag fallenden
Dienstag „aller mindestens und nicht weniger"
als 45, möglichst aber 25 oder 20 Hexen zu verbrennen,
eine einfache Denunziation Uebelwollender genügte, um einen
ganz Unschuldigen dem Scheiterhaufen zu überliefern. Wie
viele unbequeme Liebhaber, misshebige Konkurrenten, gefürchtete
Nebenbuhlerinnen haben damals wohl ihre „Schuld"
mit dem Leben bezahlt. Dass keineswpgs viel dazu gehörte,
um Jemanden diesem beneidenswerthen Schicksale zu überliefern
, und die Anlässe, welche manchen Verfolgungen zu
Grunde lagen, geradezu empörend lächerlich waren, erhellt
aus einer im Jahre 1616 zu Tübingen erschienenen „Hexen-
Zeitung", aus welcher überdies hervorgeht, dass die in der
„Bavaria" mit 22 angegebene Zahl der im Jahre 1616 erfolgten
Vei brennungen viel zu niedrig gegriffen ist. Im
Nachstehenden geben wir den Inhalt der sehr ausführlichen
„Hexen-Zeitung", soweit sie von Gerolzhofen handelt, wieder.
Die Einleitung konstatirt die Thatsache, dass der Bischof
daran sei, „mit allem Ernst und Eifer Manns- und Weibspersonen
, jung und alt, arm und reich, so der Hexenkunst
und Zauberei erfahren, hinrichten und verbrennen zu lassen",
dass er aber einen schlechten Anfang gehabt habe, indem
,.nur vier Weiber" einem Taglöhner „drei Eimer Wein ausgesoffen
»" Der Taglöhner nahm allerdings anfangs, und nach
heutigen Begriffen, wohl sehr mit Recht, an, dass es sich
einfach um Diebstähle handele, und passte daher einige
Nächte im Keller auf. Wirklich gelang es ihm die „vier
Gespielen" zu erwischen, als sie sich anschickten, seinem
Wein den Garaus zu machen, und zwar kamen sie, wie er
ausdrücklich selbst bemerkt, keineswegs zum Kellerloch
herein („wie dies Hexen gethan hätten*4), sondern, wie andere
Leute, durch die Thüre, die sie allerdings auf eine ihm
unerklärliche Weise geöffnet hatten. Der gute Taglöhner
war auch willens, die vier Frauen mit einer gehörigen Tracht
Prügel und nach Bezahlung des Schadens laufen zu lassen,
wenn nicht der Lärm die Nachbarn angelockt hätte. „Was
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