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Kurze Notizen.
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in dem, was dieser von der Veröffentlichung ausgeschlossen
hat, zeigt, welche Verschwendung des Geistes ein Nietzsche
treiben durfte. Noch steht die Hebung reicher Schätze
bevor; zumal wird man die umfassenden Vorarbeiten zu der
„Umwerthung aller Werthe", die sich vorgefunden haben,
mit Spannung erwarten. Hat doch Nietzsche dieses Werk,
in welchem er den höchsten Ausdruck seiner Lehre zu geben
gedachte, nicht vollenden dürfen: nur der erste Theil, der
„Antichrist", war fertig gestellt, als ihn das schwere Hirnleiden
befiel, welches seine geistige Schaffenskraft für immer
lähmte und ihn in die langdauernde geistige Umnachtung
versenkte, aus der erst vor kurzem der Tod ihn erlöst hat.
Aber hat auch ein grausames Geschick dieses Leben vorzeitig
vernichtet, — es war ein Leben, welches dem, der es
gelebt hat, geistige Erhebungen höchster Art gebracht hat
und sie auch denen verspricht, die es im Geiste nachleben.
— Der Vortrag, der vor einem überaus zahlreichen Zuhörerkreis
stattfand, erregte um so grösseres Interesse, als
Dr. Sandberg in der Diskussion über seine persönlichen
Beziehungen zu Nietzsche und dessen Familie Mittheilungen
machte, Dr. Sandberg wird am Ende des Winters seine
Ausführungen durch einen zweiten Vortrag fortsetzen, der
sich mit Nietzsches Philosophie beschäftigen wird.
V) Experimente arabischer Fanatiker waren
der „clou" des Spiritisten-Kongresses in Paris,
über welchen wir an anderer Stelle berichteten. Die schaudererregenden
Vorführungen werden folgendermassen geschildert:
In dem grossen Sitzungssaal in der Bue d'Athönes drängen
sich gegen 500 Personen; unter ihnen sind viele Damen,
besonders Engländerinnen und Amerikanerinnen, die in
grosser Erregung zu sein scheinen. Der Kongress der
Spiritisten hält eine Sitzung ab, um Untersuchungen über
die Experimente der Aissauas, arabischer Fanatiker, vorzunehmen
. Auf der Bühne kauern drei Aissauas. Einer von
ihnen ist mit einer weissen Gandurah, dem arabischen Hemd
ohne Aermel, bekleidet, die vorn geöffnet ist und eine malvenfarbige
Kravatte sehen lässt; die beiden anderen haben ein
den Zuaven ähnliches Kostüm. Die Gesichter sind eher
spöttisch wie verzückt. Neben ihnen und zu ihren Füssen
liegen ihre Arbeitsinstrumente; ein Dolch, dessen Griff eine
Holzkugel ist, ein grosser Säbel mit sehr scharfer Klinge,
lange Damenhutnadeln, ein grosser, sehr spitzer Nagel und
ein karrirtes Taschentuch, in dem sich fünf Schlangen rühren,
die zu entwischen suchen. Die Sitzung beginnt. In eine
Räucherpfanne werden einige Stücke ßenzoegummi geworfen.
Bald steigt ein wohlriechender Eauch empor, der die Aissauas
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