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54 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 1. Heft. Januar 1901.)
entnervt und schnell bethört. Die spöttischen Gesichter werden
verzogen, die Körper verfallen in leichte Zuckungen, und
während zwei derselben Tambourine ergreifen, auf die sie heftig
losschlagen, erhebt sich der dritte wie eine Feder, nähert
seinen Kopf dem Kohlenbecken mit dem Benzoe, so dass
er fast das Feuer beiührt und athmet lange und verzückt
den Opferrauch ein. Dann fängt er an zu tanzen und singt
in einer Art klagendem Sprechgesang, den seine beiden Gefährten
wiederholen. Der Tanz ist primitiv und besteht in
einer rhythmischen Bewegung der Beine und des Kopfes,
der plötzlieh und brüsk vorwärts von links nach rechts geworfen
wird. Plötzlich stürzt der Tänzer sich auf das karrirte
Taschentuch, packt mit einer Hand drei Schlangen, mit der
anderen zwei und lässt sie sich auf der Brust und den
Armen umherkriechen. Dann bringt er den Kopf der dicksten
in seinen Mund, beisst die Zähne zusammen und zieht stark.
Der Kopf des Reptils bleibt im Munde, und er schickt sich
an, ihn mit Entzücken zu essen. Inzwischen sucht eine andere
Schlange ihn zu beissen; er packt ihren Schwanz mit den
Zähnen und reisst einen Theil los, der denselben Weg geht,
wie der schon verschlungene Kopf der ersten Schlange. Die
Aufführung wird immer schrecklicher. Die beiden anderen,
die allmählich ebenso verzückt geworden sind, mischen sich
darein, und alle drei tanzen, springen und machen nacheinander
ihre Experimente. Einer senkt den Dolch in sein
Auge, der Andere steckt sich vier biegsame Hutnadeln
in die Zunge, die nun auf dem eigenartigen Nadelkissen
schwingen, während dasselbe Individuum sich den Bauch
mit einem grossen Eisen durchbohrt. Einen Moment führt
der Eine, der sich gegen die Säbelschneide stützt, eine Art
Schwimmbewegung im leeren Raum aus; sein einziger Stützpunkt
ist diese von seinen beiden Freunden gegen den
Magen gehaltene scharfe Klinge. Man erwartet, dass die
Klinge ihn zerschneidet, aber nein, nur ein rother, blutiger
Strich wird sichtbar. Schliesslich, als Höhepunkt der Vorführung
, packt der Rasendste einen ungeheuren Holzhammer
und einen grossen, etwa 8 Oentimeter langen Nagel, kniet
nieder, setzt den Nagel auf den Schädel und treibt ihn mit
Hammerschlägen hinein. Darauf dreht er sich mit dem
Nagel im Kopf; man muss denselben herausziehen; er hatte
ihn zwei Oentimeter weit eingeschlagen, so dass etwas Blut
floss. Einer seiner Gefährten haucht über die Wunde und
es ist nichts mehr zu sehen; denn das Charakteristische bei
diesen Experimenten ist, dass in der durch religiöse Verzückung
(bezw. Autosuggestion) erzeugten Hypnose —die
Aissauas bilden eine religiöse Sekte — das Blut nicht
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