http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1901/0066
58 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 1. lieft. (Januar 1901.)
geb. Prof. Willy Reichel, dessen Grossvater Dr. Julius Neuberth
schon als Magnetiseur berühmt war, und für dessen erfolgreiche
Thätigkeit als Heiler das seiner Biographie beigegebene
Ehrenattest von Patienten aus den höchststehenden Kreisen
der Berliner Gesellschaft Zeugniss ablegt. Betont wird in
diesem Artikel, dass Prof. Reichel, der seit kurzem seine
Praxis niedergelegt hat (und seit fast zehn Jahren Mitarbeiter
der „Psych. Stud." ist), in seinem bei 0. Mutze erschienenen
Buch: „Der HeilmagnetJsmus, seine Beziehungen zum
Somnambulismus und Hypnotismus" 3. Aufl., den Magnetismus
gegen den von der Schulmedizin ihm mit Unrecht sub-
stituirten Hypnotismus energisch in Schutz genommen und
sich dadurch, sowie durch seine erfolgreiche Praxis bei der
Geburts- und der Geldaristokratie eine Reihe gehässiger
Angriffe zugezogen, schliesslich aber eine gerichtliche
Genugthuung erhalten habe, über welche wir schon früher
(im April-Heft vor. J.. S. 251) ausführlich berichtet haben.
Xiitteraturbericlit.
Berichterstatter für deutsche, englische, französische, italienische Litteratur
ist Dr. Erich ßohn, Breslau, Kirchstrasse 27, für alle anderen Sprachen
Ilofrath Dr. Wernekke, Weimar. Die Redaktion übernimmt keine Verantwortung
für die in den Besprechungen ausgesprochenen Ansichten. Die
Berichterstatter vertreten nur die mit ihrem Namen gezeichneten Artikel.
A. Bücherbespreclumgen.
A. de llochas. JLes sentiment*. Ja musiqne et le geste»
Grenoble. Librairie Dauphinoise. H. Falque et Felix Perrin. 1900.
279 und 100 Seiten. (30 fr.)
Wir leben in einer Zeit, in der neben der jauchzenden Diesseitsfreude
das Hinterweltlerthum einherschreitet. Jene feiert ihre Triumphe in unserer
ästhetischen Lebensauffassung, diese im Drang nach dem Uebersinn-
lichen, der auch unsere Wissenschaft ergreift. Wir wollen hinaus über
den trägen Stoff, und Kunst und Mystik sind nur die Wege, auf denen
unsere Sehnsucht nach dem Höheren empor stürmt. So verschieden sie
sind, so entspringen sie doch der einen grossen Sehnsucht.
Eine solche Zeit konnte das vorliegende Werk schaffen, das sich als
eine glänzende Synthese von künstlerischem Geist und wissenschaftlichem
Forschen darstellt. Es geht neue Bahnen. Sein wirklicher Werth liegt
aber nicht in seiner Neuheit, sondern in der Fülle von Schönheit, die
allen Zeiten ihr Evangelium künden wird. Der Psychologe wie der
Künstler werden immer neue Anregung daraus schöpfen. Rochas konnte
ihm daher auch kein besseres Geleitwort vorausschicken, als das Wort
Claude Bernard'sx „Die Wissenschaft steht nicht im Gegensatz zur Kunst
und ich kann nicht denen beipflichten, die behaupten, der wissenschaftliche
Positivismus müsse die Inspiration töten. Gerade das Gegentheil wird
eintreffen. Der Künstler wird in der Wissenschaft festen Grund finden und
der Gelehrte wird aus der Kunst unvergängliche Inspiration schöpfen.41
Rochas ist uns kein Neuer. Viel genannt, wenig gekannt ist er einer
jener Grössen geworden, deren Namen gerade der grosse Haufe der Halbgebildeten
mit Vorliebe im Munde führt. Das ist ein schlechtes Zeichen.
Rochas ist aber besser als sein Ruf. Er ist ein echter Gelehrter, ein fein-
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1901/0066