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84 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 2. Heft. (Februai 1901.)
Gepräge aufweisen soll. Wir sind also wohl zu der Annahme
berechtigt, dass wir es hier mit einer Art von besonderem
Traum zu thun haben, ähnlich jenem, der die Hexen zu
ihrem Sabbath führte und dessen Ursachen erst noch näher
zu bestimmen bleiben.
In dem „Cycle Indou" stehen wir einer bereits bekannten
Erscheinung gegenüber, der „Ob jekti vation von Typen.41*)
Wirkt man durch eine Suggestion auf das Gehirn der meisten
hypnotisirbaren Leute ein, so hyperästhesirt man auf Kosten
der übrigen Erinnerungen alle iene Ideen, welche dieses
Gehirn Iber einen bestimmten Gegenstand' aufgespeichert
hat. Es geht da etwas vor analog dem Fall, wo ein Schauspieler
„gut in der Haut der Person steckt,4' die er darstellen
soll. Und es ist wahrlich recht schwer, etwas anderes als
eine unbewusste Komödie in den Szenen von be-
wundernswerther Lebensintensität zu sehen, welche Fräulein
Smith spielt, wenn sie verliebt zu Füssen ihres Gemahls,
des heute in der Person des Herrn Flournoy wieder verkörperten
„Rajah Sivrouka" niederkniet oder wenn sie ihren
kleinen Affen „Mitidja" neckt, der gleichfalls nur in ihrer
Einbildung vorhanden ist.
Auch hierbei bedient sich das in Trance befindliche
Medium solcher Sprachen, die sie im bewussten, tag wachen
Zustand nicht kennt. Sie schrieb, bezw. sprach eine gewisse
Anzahl Phrasen theils Arabisch, was ihre Muttersprache
gewesen wäre, theils Sanskrit, was die Sprache ihres Gemahls
gewesen wäre. Dieses „Arabisch und Sanskrit" ist wirklich
Arabisch und Sanskrit „mit der sonderbaren Eigentümlichkeit
" (N.B!), dass keines der von Fräulein Helene gebrauchten
Sanskritwörter den (französischen) Consonanten f enthält,
welcher thatsäeblich in dieser Sprache unbekannt ist. Die
Erklärung beginnt schon hier sehr schwierig zu werden, und
Prof. Flournoy sieht sich (bei seinem animistischen, bezw.
personalistischen Erklärungsversuch — Red.) zu der Annahme
genöthigt, dass das Medium unbewusster Weise in
seinem Gedächtniss einige Brocken Arabisch und Sanskrit
einregistrirt hätte, welche auf einem oder dem anderen
(— jedenfalls schwer begreiflichen) Weg ihm vielleicht zu
Augen oder zu Ohren gekommen wären, ohne dass man
nachträglich die Umstände wieder auffinden könnte, unter
welchen diese Thatsache eingetreten wäre.
*) Alle von Herrn flournoy dabei beobachteten somatischen Merkmale
beweisen klar, dass Fräulein Smith sich alsdann in jenem oberflächlichen
Zustand von Hypnose befindet, worin die Verwirklichung eines Musterbilds
unter dem Kinfluss sei es einer mündlichen Eingebung oder von musikalischen
Suggestionen hervorgebracht werden, wie ich sie in meinem jüngsten Buch:
„Die Gefühle, die Musik und die Geberde" studirt habe. — Rochas.
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