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102 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1901.)
anderes als ein Einschlafen, ein tiefer Schlaf, nur mit dem
Unterschiede, dass der letztere die Restaurirung des
Gehirns, ersterer dessen Zersetzung zur Folge hat.
Sobald diese beginnt, schwindet auch die Möglichkeit einer
ßewusstwerdung; mit der Auflösung der Empfindungs-
repulsate ist jede Möglichkeit eines Wiederauflebens
des Bewusstseins geschwunden,
nämlich des ErseheinungsbewusstseiM, wie wir Menschen es
besitzen.
Mit dem Todegeht also unsere Person,
unser Körper und insbesondere auch unser
Objekt-Ich zu Grunde. Was aber nicht zn Grunde
geht noch gehen kann das ist die unser eigentliches Wesen ausmachende
psychische Energie. Energie bedeutet nämlich für
Verf. nicht etwa die bloss mechanischen (Bewegungs-) Vorgänge
; denn was das Wesen ein erBewegung ist,
kann uns auch der fortgeschrittenste Naturforscher nicht
angeben ; noch weniger aber vermag irgend jemand die physi-
kalisehen Veränderungen einfach durch Bewegungsvorgänge
zu erklären, weshalb einer der kompetentesten Forscher,
E. Mach, in seiner populär-wissen schaftlichen Vorlesung „über
das Prinzip der Erhaltung der Energie" (Leipzig 1897) es
ungeziemend findet, im Gebiete der Naturwissenschaft vermöge
einer „mechanischen Mythologie" die Erscheinungen
damit erklären zu wollen, dass man „Atome" und „Moleküle
" etc., die doch nur als Hilfsbegriffe Sinn und
Werth haben, für selbstständige Realitäten hält, ein Fehler,
in den sogar Wunät bei Aufstellung seiner „Axiome der
Physik" verfiel. Mach nennt mit Recht den Versuch, alle
physikalischen Vorgänge auf Atombewegungen zurückzuführen
, ein „chimärisches Ideal", das wohl in populären
Vorlesungen oft als effektvolles Programm gedient, in dem
Arbeitsraume des ernsten Forschers aber kaum eine wesentliche
Funktion gehabt hat. „Durch die Fortschritte der
Theorie der Sinne und des Raumes", sagt er schon 1871, „sind
die so genannten Molekulartheorien bereits ins Schwanken
gerathen und die mechanische Weltanschauung wird einem
freieren Blicke Platz machen müssen."
Dass die Energieen objektiv wirkliche Existenzen sind,
beweist die Thatsache, dass sie in allen, wesentlich gleich-
artig gestalteten und' ßewusstwerdung 'aufweisenden" Sub-
iekten gleichartige Empfindungen und Vorstellungen bewirken
, woraus folgt, dass sie in der objektiven Anisen weit
ein wirklich vorhandenes Korrelat haben müssen. Dieselbe
objektive Existenz aber, welche alle anderen Energieformen
besitzen, kann doch der psychischen Energie allein
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