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110 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 2. Heft (Februar 1901.)
für diese Nummer der „Psych. Stud.a überlassene Baum ist
zu beschränkt, um die Frage so eingehend, wie ich es
wünschte, zu behandeln. Ich bitte daher etwaige durch mein
Bestreben nach Kürze veranlasste Missverständnisse nicht
mir zur Last legen zu wollen.
Ich schicke die Bemerkung vorauf, dass es auf diesem
Gebiete unerlässliche Maxime sein muss, der kritisch
strengeren Deutung der Phänomene vor der milderen den
Vorzug zu geben, bis die letztere absolut einwandfrei
für die echte Wissenschaft festgestellt ist. Diesem Grundsatz
ist auch Dr. Bolin gefolgt, und ich denke, sämmtliche ernste
Spiritisten hätten ihm dafür eineDankadresse schicken
sollen. Man bedenke doch einmal, welches Material ihm
vorlag. Zunächst ein oder zwei Fälle, in denen sich der
erwiesene Schwindel unter Formen darstellte, die fast zu
dem Verdikt auf bewussten Schwindel nöthigen. Ich
komme darauf zurück. Sodann eine Menge völlig ungenügender
Berichte, die sich um diese Thatsache so gut wie gar nicht
kümmern, und deren Haltung ich nach der trefflichen
jS.'schen Zeichnung nicht weiter zu charakterisiren brauche.
Diese Berichte über ein professionelles*) Medium
hauptsächlich von dem „Manager** oder „Impresario" ausgehend
oder von ihm inspirirt! Und dieser selbe Mann — er
mag es ja in seiner verkehrten Weise gut meinen — verhindert
nicht nur, soweit er irgend kann, jede genauere Prüfung,
sondern glaubt auch unbegreiflicher Weise dem Dr. Bohn die
in seinem Besitze befindlichen, relativ sachlicheren Zeugnisse
vorenthalten zu dürfen! Welch ein Indicium vorhandener
Unehrlichkeit! Die Phänomene selbst, namentlich die Apporte,
tragen in ihrer Form so sehr den Stempel des Taschenspielerischen
, wie ich es noch bei keinem Medium, selbst
nicht bei den „auf offener Schaubühne auftretenden Medien",
z. B. Mrs. A. E. Fay,**) erlebt habe. Unter ungünstigen
Bedingungen musste sich selbstverständlich dieser Eindruck
noch steigern. —
Wie war es unter diesen Umständen möglich, so frage
ich, dass Dr. Bohn, dem eine ausreichende Anschauung echter
mediumistischer Vorgänge zur Vergleichung nicht zur Ver«
*J Ueber diesen von Herrn Jentsch in seiner im Jan.-Heft abgedruckten
Erklärung gerade bestrittenen Punkt dürfte wohl die durch die ungewöhnlich
gehässigen, öffentlichen und leider sogar anonymen Angriffe aul unseren
Herrn Litteraturberichterstatter unveimeidlich gewordene Gerichtsverhandlung
demnächst näheren Aufschluss bringen. — Red.
**) Mrs. Avnie Eva Fay ist bekanntlich dasselbe Medium, mit welchem
Mr. Crookes (vgl. „Psych. Stud." 1875, P« 35° unter strengsten Bedingungen
experimentirte.
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