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Sellin: Gefstersport und Wissenschaft.
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fügung stand, dem vorliegenden, ihn lebhaft interessirenden
Problem gerecht wurde? Ich wundere mich vielmehr,
dass er trotzdem mit sicherer Intuition z. B. die beiden
echten Medien, Frau Minna Demmler und die „femme masquöe",
als solche erkannt hat. Dr. Bohn hat nur eine einfache
Pflicht wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit erfüllt
, wenn er den Sachverhalt, den man von anderer Seite
zu verhüllen sich bemühte, der breitesten Oeffentlichkeit vorlegte
und die absolute Nothwendigkeit genauerer
Prüfung vertrat. Wenn Spiritisten jetzt noch, wo die weltbekannte
S. P. R. seit Jahren die Thatsachlichkeit der
physikalischen Phänomene (Eusapia, Sambor) und der Tranceerscheinungen
sammt dem Automatismus (Mrs. Piper) nicht
nur anerkannt, sondern selbst zum Theil spiritistisch gedeutet
hat, diese Erscheinungen in namenlose Sportzirkel glauben
verstecken zu dürfen, so ist das ein barer Widersinn. Und
wenn gar durch die abgeschmacktesten Reklameberichte aus
diesen Winkeln heraus dem urtheilslosen Publikum die
Köpfe verdreht und dieses ganze unsinnige Treiben durch
Kommissionen zum „Medienschutz4* und eine kaum qualifizir-
bare Polemik in spiritistischen Blättern gedeckt werden soll,
dann ist es wahrlich an der Zeit, solchem Unfug ein „bis
hierher und nicht weiter" zuzurufen! Was thut es dann,
wenn einzelne pseudowissenschaftliche Schreier (ä la Lank est er,
Carpenter und £eÄflianw-Kopenhagen) sich voreilig und „durch
Sachkenntniss unbeirrt" in das Konzert mischen? Man mag
sie einzeln, wenn möglich mit Humor, abthun. Aber das
so beliebte Schimpfen auf Wissenschaft und Pfaffenthum
ist nachgerade ein schreiender Anachronismus. Die Unwissenheit
, mit welcher in der spiritistischen Litteratur oft an
Fragen der Bibelkritik und der wissenschaftlichen Psychologie
gerührt wird, ist geradezu so haarsträubend, dass sie
nur noch von einer gewissen Sorte der sogenannten theo-
sophischen Litteratur übertroffen wird. —
Doch genug! Ich komme zu der Sitzung vom 16. Dez.
zurück. Was mich zur Anerkennung der Mediumschaft der
Frau R. veranlasste, ist Folgendes: die Klopftöne, dieses
Leitphänomen zur Diagnose starker physikalischer
Mediumschaft, die ja auch Dr. Bohn wenigstens
frappirten, und die ich in dubio nach den Berichten
als Imitation glaubte deuten zu dürfen, sind unzweifelhaft
echt. Ich weiss zwar wohl, dass auch bei sogenannten
Hysterischen mehrfach Klopftöne derselben Art beobachtet
wurden. Das beweist aber nur, dass die Demarkationslinie
zwischen Hysterie, Epilepsie und Mediumismus bisher noch
nicht sicher hat gezogen werden können. Dass ich die
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