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Sellin: Geistersport and Wissenschaft.
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Versuch machte, den schlechte Verse machenden Georg
Neumark*) über die litterar-historische Streitfrage zu inter-
pelliren, ob sein bekanntes Lied „Wer nur den lieben
Gott etc." aus Anlass der Auslösung seiner Gambe aus
dem Leihhause gedichtet sei. Da nach der Meinung
einzelner Literarhistoriker, und zwar auf Grund von Neu-
mark's eigenen Aeusserungen, dies als Mythus gilt, wunderte
es nach, da inzwischen die Hypnose aufgehört hatte, wenigstens
durch Klopftöne die emphatische Antwort „Ja" zu
bekommen. Die dann wieder einsetzende Trancerede war
ein öder Wortschwall, der mit dem „Wer nur den lieben
Gott lässt walten" schloss. —
So geht mein Gesammturtheil jetzt dahin, dass wir in
.Fr au Rothe ein starkes und echtes, im Vergleich mit anderen
Medien aber recht unbrauchbares und schlechtes Medium
besitzen. Herr Jentsch hat mir freilich von einer Menge
sogenannter Teste geredet, welche durch sie gegeben
worden sein sollen. Was dieser Herr damit meint, kann
ich natürlich nicht wissen, halte aber einstweilen zuverlässige
Beobachtung von Seiten dieses Herrn für mehr als
unwahrscheinlich. Ich will wegen des Ausdruckes „schlechtes"
Medium nur einige Punkte streifen, um den Leser aufmerksam
zu machen.
Unter den apportirten Blättern befanden sich, für
Herrn Dr. v, Soltau und für Frau Müller gebracht, zwei
Mahoniablätter, die getrocknet und mit einer röthlichen
.Filzmasse überzogen waren, wie man sie seit Mitte dieses
Sommers hier zu Leichenkränzen zu verwenden pflegt. Ich
hatte mir erlaubt, ein Theilblättchen davon abzureissen,
das mir sonderbar zu riechen schien. Bald darauf äusserte
ich zu meiner Nachbarin rechts, ich möchte gern ein
ganzes Mahonienblatt in meinem Besitz haben, um es
daheim ruhig zu untersuchen. Wenige Sekunden darauf
griff das Medium mit der rechten Hand nach meinem
Kopf, wobei ich einige harte Blätter in ihrer Hand fühlte.
Sie überreichte sie mir, und ich erkannte ein vollständiges
Mahonienblatt, zwei Ruscuszweige und einen Mohnkopf,
alles Artefakte, wie sie für Leichenkränze gebraucht
werden. Ich habe diese widerwärtigen Gaben, die einen un-
*) Geb. 6. März 1621 zu Langensalza, studirte N. seit 1643 zu Königsberg
Jurisprudenz, lebte 1649—50 in Thorn, dann in grosser Dürftigkeit in
Hamburg, wo er nachher für den schwedischen Residenten Rosenkranlz
arbeitete. 1651 kam iV. nach Weimar, wo er Kanzleiregistrator und Bibliothekar
, sowie später „Erzschreinhalter44 (Sekretär) der „Fruchtbringenden Gesellschaft44
wurde und am 8. Juli 1681 starb. Er war nebenbei Dichter,
Komponist und Virtuos auf der „Viola da gamba*. — Red.
I'&ychidJie Studien Febmar 1901. £
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