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Sellin: Geistersport, und Wissenschaft.
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genommenen Prüfung des bei ihr im Korsett gefundenen
Zeuges, das mit der Phantompuppe sicher identisch
ist. Dieses Zeug (feiner Baumwollenstoff, in der Mitte zusammengestückt
) trägt nämlich die unverkennbaren
Spuren von Phosphor an der Stelle von
Augen und Mund, und zwar zeigen diese Stellen,
dass sie mit drei verbundenen und zuvor angefeuchteten
Bündchen von Streichhölzern gemacht sind, so deutlich,
dass man noch heute (nach 6 Jahren!) die drei Kreise sammt
den Abdrücken der Köpfchen erkennen kann. Ich frage
hier: Wer hat diese Präparation vorgenommen, und wie
sind sie ins Korsett gekommen? Steht es damit ebenso wie
mit den künstlichen Blumen, die Frau Rothe in
einem nahen Laden nicht blos gekauft haben soll, sondern
wirklich gekauft hat?
Ich lasse diese Fragen absichtlich unbeantwortet, bis
ich mit Frau Rothe selbst darüber gesprochen und eine
neue Sitzung bei einer mir seit lange befreundeten Familie
in Chemnitz, wohin ich schon am 13. d. reise, gehabt haben
werde. Herr Jentsch hat auf mein Ansuchen bereitwillig
seine Zustimmung gegeben, beansprucht auch nicht, dass
er selbst bei dieser Sitzung anwesend ist.
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sich aus
meinen weiteren Versuchen Anhaltspunkte für eine mildere
Auffassung der Frage, als es nach den mir inzwischen zugänglich
gewordenen Hamburger Daten zunächst möglich
scheint, ergeben dürften, und werde seiner Zeit darüber
Näheres berichten.
Nachschrift. Nach einer von Herrn Prof. Sellin vor
seiner Abreise aus Chemnitz (Hotel „Rother Hirsch'4) am
15. Januar uns zugegangenen Privatmittheilung hatten seine
daselbst über die ganze Entwiekelungsgeschichte der Mediumschaft
der Frau Rothe während der letzten acht Jahre eingezogenen
genauen Erkundigungen, sowie seine erneute
Prüfung derselben einen für Frau Rothe sehr günstigen
Erfolg. Er schreibt u. A.: „Es sind zum Verständniss
sowohl der an diese Frau sich so rasch anschliessenden
üeistersporterei« wie für den anscheinenden Betrug
Anhaltspunkte genug vorhanden, bei denen es mir fast
nur leid thut, dass die „Psych. Stud." nicht halbmonatlich
erscheinen, um sofort berichten zu können, wie die Sache
steht; möglicher Weise gehe ich wie Dr. Bohn damit auch
gleich in die breite Oeffentlichkeit. Ich habe meine erneute
Prüfung so vorgenommen, wie ein erfahrener Experimentator
es musste: zuerst mit Frau Rothe und Herrn Jentsch in
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