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TJtteraturberlcht.
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idealen Begeisterung des Verf. für sein Ziel einer geistigen Erlösung
der Menschheit aus den Banden eines einseitigen und engherzigen
Materialismus liegen, stehen leider bedeutende Mängel, namentlich
hinsichtlich der äusseren Form, gegenüber. Anstatt seinen ungeheueren
Stoff nach einer logisch begründeten Disposition in Abschnitte und
Kapitel zu ordnen, hat er sein riesenhaftes Material ohne Unterbrechung
oder Abtheilung, vielfach sogar ohne Uebergang oder
Zusammenhang, uno tenore bunt durcheinander aufgethürmt. Auch
der sprachliche Ausdruck, der stilistische Aufbau der Perioden lässt
die letzte Feile des sach- und sprachkundigen Korrektors dringend
vermissen. Abgesehen von harten Wendungen, wie: „Das lässt sich
zwar zungen, aber nicht hirnen" (S. 51), zahlreichen Konstruktionsfehlern
, sowie sachlichen Unrichtigkeiten oder Verstössen (wie S. 4:
„Die Hexen waren, was wir heutzutage Medien oder Physiker —
statt: Psychiker — nennen; 8. 20: „Dr. t£d. v. Hartmann, der berühmte
Materialist; und Verfasser des auf materialistischer Anschauung
„a la Büchner (st. Büchneri) und Kombinationen(I) beruhenden Werks" ;
S. 40: „die durch den Trancezustand vom Körper latent — statt:
frei! — gewordene psychische Kraft des Somnambulen"; S. 126: „ein
unnatürlicher — st. natürlicher! — Leib"; S. 214: Sönthal statt:
Schönthal u. v. a.) bleiben einzelne Sätze in Folge logisch oder sprachlich
schiefer Wendungen geradezu unverständlich (wie 8. 141: „zu ihrer
Erklärung nennt unsere alle geistigen Kräfte und alles Uebersinnliche
leugnende Zeit Schwindel"; S. 225: , Engel gehören (st, sind) den
harmonischen, durchgeistigten lichten Sphären — Zuständen — angehörende
gute Geister"; S. 294: „Plato sagt, die Seele sei eine
intelligente Substanz, welche sich selbst der dem flammenden Central -
herde entschlüpft ist"). Ueberdies wimmelt das Buch — offenbar in
Folge äusserst mangelhafter Korrektur — von Druckfehlern aller Art
(wie S. 96: verheissenden st. verheissenen; S. 117: abschrechenden,
befindlichem st. abschreckenden, befindlichen; S. 257: Goethe'$ Gedicht
vom 14. April 1876 st. 1776; S, 287: gestaltenes st. gestaltetes; S. 288:
beantworten st. antworten, subjektige st. subjektive; S. 829: Keferend
st. Reverend; S. 382: Beschlüsse st. Schlüsse; 8. 348: Verzügten st.
Verzückten u. v. a.), welche besonders bei den Namen sinnstörend
wirken oder doch peinlich berühren (so Sermina, Pyisegur, Beleux,
Wallac, Jocolliot, Engling ton, Poracelsus, Diador% Gallius, Gualama, Lajola
anstatt: Lermina, Puysegur, Beleuze, Wallace, Jacolliot, Eqtinion,
Paracelsus, Biodor, Geltius, Gautama, Loyola u. v. a.). Zwischen blosser
Sage bezw. Anekdote oder Legende und beglaubigter Geschichte wird
überhaupt nicht unterschieden (so S. 124 bei der Erzählung von
Tarquinius l*riscus u. a. O.); zu einer kritischen Sichtung der Ueber-
lieferung nimmt Verf. nicht einmal einen Anlauf, beschränkt sich
vielmehr, wenn er die Quellen überhaupt genau angiebt, lediglich auf
die Berufung auf seine „Autoritäten '.
So lobenswerth daher im Ganzen die echt humanen Bestrebungen
des Verf. und so gesund und vernünftig auch seine religiösen und
seine politischen Anschauungen — speziell gegenüber dem widerlichen
Nationalitätenhader in dem durch Pfaffenherrschaft rückständig gebliebenen
Polizeistaat Oesterreich — uns erscheinen mögen, müssen
wir unser Gesammturtheil über sein Werk nach gewissenhafter Prüfung
doch dahin abgeben, dass ein Bedürfniss für derartige, gegenwärtig
auf dem Büchermarkt wie die Pilze im dunklen Wald auf schiessende
Sammelsurien okkultistischer Färbung streng genommen nicht besteht,
dass man vielmehr die bisher bekannt gewordenen Thatsachen besser
aus den Quellen selbst studirt und dass für die wissenschaftliche
Erforschung der fraglichen Phänomene Verf. mit all seinem nicht
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