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f Pastor emer. Maximilian Gabalke.
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Karl Schwarz in freiester Entfaltung blühenden Landeskirehe
zu Gotha seine geistige Heimath fand.
Von ganzer Seele mit allen seinen Kräften war mein
Mann jetzt Theologe; dies kam so recht zum Durchbruch,
als die Angelegenheit des Pastors Weingart die Gemüther
bewegte und er in der „Vossischen Zeitung'* zwei flammende
Artikel in dessen Sache veröffentlichte. So sehr ihm oft
selbst die Theologie eine lästige Fessel dünkte, — so gestand
er auch wieder ein, dass der Theologe in ihm nicht todt
zu schlagen sei. Und wer wie ich sein rastloses Wirken als
Pfarrer in seinen Gemeinden kannte, wer seine Predigten
hörte und die Begeisterung sah, mit der er für die Religion
als den Idealismus der Massen alle Zeit kämpfte, wird
immer tief bedauern, dass es ihm nicht vergönnt war, länger
im Amte zu wirken. Das Evangelium im Sinne der Kirche
zu predigen, war ihm freilich nicht mehr möglich in Folge
seiner umfassenden kritischen und philosophischen Studien;
und da ihm jede diplomatisch schlaue Gefügigkeit gegenüber
opportunistischen Zumuthungen abging, alle Halbheit im
Tode verhasst war und er sich über nichts mehr entrüsten
konnte, als über „schwächliche Vermittelungen," so war es
ja klar, dass er eines Tages mit anders denkenden Gemeindemitgliedern
in Konflikt gerathen wäre, und eben darum
ging er freiwillig.--
Bis zu unserer Bekanntschaft war ihm das okkulte
Gebiet vollständig unbekanntes Land. Und was ihm davon
bekannt wurde, erregte zunächst nur seinen Widerspruch
und seine Spottlust. Er stand vollkommen auf dem Boden
eines freisinnigen Theologen der Neuzeit, der ganz hingenommen
war von der Aufklärung, welche die Naturwissenschaften
gebracht haben. Mir waren diese Dinge nicht so
fremd, da mein Vater mancherlei in seinem Leben erlebt
und dem aufhorchenden Kind erzählt hatte, was nicht so
schlechtweg zu erklären war. Zudem war mein Vater nicht
nur ein begeisterter Anhänger platonischer Ideen, sondern
auch ein gründlicher Kenner des alten Paracelsus, dessen
Werke seine Lieblingslektüre bis in sein spätes Alter bildeten.
Obgleich ich nun, wenn wir, wie dies öfters der Fall
war, über diese Fragen stritten, stets den Kürzeren zog, war
es merkwürdig, wie immer wieder auf ganz eigenthümliche
Weise die ernstere Beschäftigung mit den okkulten Problemen
meinem Manne nahe gebracht wurde In Zella Si BL führte
uns ein Zufall eine Reihe von Aufsätzen über Spiritismus
von Paul Lindau in die Hände, und so bildete dieser Gegenstand
oft Abends im Freundeskreis unser Unterhaltungsthema
, freilich in ablehnender Form. Dazu kamen dann die
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