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f Pastor emer. Maximilian Gubalke. 133
seines Wissens. Die Bibliothek meines Mannes bekam nun
bald ein sehr okkultes Aussehen: die Werke Heilenbachs,
Aksakow's, Hübbe-Schleiden^ u. s. w. standen friedlich neben
seinen theologischen Schriften, und als wir nach Rixdorf-
Berlin übersiedelten, war es ja nur zu natürlich, dass mein
Mann Anschluss suchte und fand in jenen Kreisen, welche
diese Anschauungen vertraten. —
Die späteren Ansichten meines Mannes über das grosse
okkulte Gebiet und über die kulturhistorische Bedeutung
dieser Probleme sind bekannt genug; — er hielt nie, weder
in Wort noch in Schrift, mit dem zurück, was er einmal
als wahr erkannt hatte. Er sagte oft zu mir: „Es ist mein
Karma, dass ich überall, wohin ich auch komme, wie
Scheidewasser wirke." Er konnte eben schlechterdings nicht
gegen seine Uebeizcugung handeln. Wenn ihn sein lebhaftes
Temperament, das Erbtheil seiner polnischen Herkunft
väterlicherseits und französischen Bluts mütterlicherseits, oft
zu heftigen Aeusserungen in der Hitze des Gefechts hinriss,
so lag es seinem guten Herzen doch sehr fern, irgend Jemand
kränken zu wollen. Wenn ich die Briefe durchblättere, die
mir bei seinem Hinscheiden von nah und fern geschrieben
wurden, so weiss ich: — er hatte viele Gegner, aber keine
Feinde, — denn ein Jeder war durchdrungen von der
absoluten Lauterkeit seiner Gesinnungen. —
Ich selbst verlor an ihm den liebevollsten Vater meiner
Kinder und den treuesten Freund und Genossen. Wir konnten
nie ohne einander auskommen; Leid und Sorge, viel Unglück
und manche herbe Entbehrung hatte das Band unserer Herzen
fester geknüpft, als wenn Glück und Sonne uns geschienen
hätte. Was ich verlor, weiss nur der zu beurtheilen, der
uns Beide kannte und den langen dornenvollen Weg
beobachtete, den mein guter Mann ging. Gerade jetzt fing
es an etwas zu tagen. Er hatte beim Magistrat eine Anstellung
gefunden, ich hatte eine Stelle als Redakteurin
angenommen. So konnten wir eventuell etwas aufathmen.
— Und in diesem Sinne verlebten wir am 10. Juli vorigen
Jahres einen gemüthlichen Abend. Ich war sehr müde und
elend und hatte mich früher zu Bett gelegt; er sass noch
lesend in seinem alten Stuhl am Tisch und versprach mir
neckend allerhand Gutes für den kommenden Tag. Spät
legte er sich zur Ruhe, wachte dann aber nach kurzem
Schlaf plötzlich mit Klagen über Magenschmerzen auf.
Dabei verhinderte er noch, dass ich zum Arzt schickte, weil
er, wie wir Alle, glaubte, dass es sich nur um einen Magenkrampf
handle. Allein gegen Morgen verschlimmerte sich
die Sache auf einmal so, dass ich die Kinder weckte, um
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