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C. W. Sellin: Schein Wissenschaft und Thatsachen. 141
automatischer Schreib- oder Trancemittheilungen in seiner
letzten Arbeit abgiebt (S. Proceedings 1900, p. 400 ff)- Ich
würde es darum als sehr verdienstlich ansehen, wenn dem
Inhalt der Rothe'schen Trancereden etwas mehr und speziellere
Beachtung geschenkt würde, als es anscheinend bisher geschehen
ist. Auch mehr oder minder Testartiges in
Bezug auf Identitätsbeweise ist später vorgekommen, was
sich natürlich seiner familiären Natur wegen öffentlicher
Mittheilung entzieht. Dadurch ist auch die mir selbst
gewordene Ansprache über Dinge aus meinem früheren
Leben für mich wenigstens aus dem Bereich blos psychometrischer
in denjenigen spiritistischer Deutung gerückt
worden. Das Alles ist natürlich für Andere als den
Empfänger unzugänglich.
Dagegen mag hier noch eine kurze Bemerkung über
die mich ästhetisch so unangenehm berührenden Apporte
von Blättern, die anscheinend einem Todtenkranze angehörten,
Platz finden. Dass Prof. Maier meine Werthung dieses
Apportes als eines Argumentes für die Echtheit
dieser ßringungen mit einem redaktionellen Fragezeichen
begleitete, ist ja augenscheinlich auf seine eigene Unerfahren-
heit in diesen Dingen zurückzuführen, wie er mir gewiss
willig zugeben wird.*) Da für mich von der Annahme eines
Betruges damals nicht mehr die Rede sein konnte, war
es ja höchst bezeichnend, dass diese Bringung eine Antwort
auf einen meiner Nachbarin zugeflüsterten Wunsch war,
zu dessen Erfüllung in wenigenSekunden das Medium,
selbst wenn es ihn gehört hatte, schwerlich vorbereitet sein
konnte. Es kommt aber noch etwas Anderes hinzu. In
Chemnitz hielt ich der kleinen „Frieda" vor, es sei doch
nicht hübsch von ihr, dass sie mir so hässlich riechende
Blätter gebracht. Ich bekam zur Antwort: »Wir wollten
Dir ja die auch gar nicht bringen. Ich hatte Dir die
hübsche Rosenknospe und so viel andere Blumen gebracht.
Und da hast Du auch solche Blätter gewünscht, Onkel; die
musste ich doch bringen.* Ein anderer „Geist*1,**) mit dem
ich über diesen Apport sprach, sagte mir, sie hätten schon
*) Hiergegen habe ich im Allgemeinen nichts einzuwenden, bitte aber
doch meine Erklärung in Abt. III hierzu zu vergleichen. Die vom Herrn
Verf. jetzt gegebene, vom spiritistischen Standpunkte aus allerdings sehr annehmbar
klingende Deutung kannte ich eben damals so wenig, wie er selbst
sie bisher erwähnte. Die Bemerkung, dass der Ausdruck „Geist*' für den
Spiritisten ungefähr denselben Werth, wie der Hilfsbegriff „Atom" für den
Chemiker hat, finde ich sehr treffend. — Maier.
**) Ich erlaube mir von jetzt an diesen Ausdruck als den kürzeren und
passenderen anzuwenden. Was sich jeder dabei denkt, ist ja eben so gleich-
giltig, als wenn der Chemiker in seinem Sinn vom Atom spricht. *%'.
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