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150 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 3. Heft. (März 1901.)
Photographie war diesmal keine Vorkehr getroffen,
obschon es jetzt doppelt nöthig gewesen wäre!
Man begnügte sieh mit der Vermuthung, dass das Gesehene
wohl ein Stück noch nicht gefundenen Stoffes gewesen
sei. Es lebe die Exaktheit der Hamburger Forschung
! Wenigstens hat sie das Gute gehabt, dem Herrn
Dr. Bohn ein Stück werthlosen Plunders von augeblichem
Beweismaterial in die Hände zu spieJen, welches sich dem
übrigen von ihm beigebrachten würdig anreiht. Ich kann
nicht unterlassen, gleich hier auf daa kurz vorhergehende
Stück auf S. 2 zu verweisen, in welchem Herr Dr. Bohn
in seiner „exakten Wissenschaftiichkeit" einen irgendwoher
genommenen Bericht über die Sitzung mit einem „Vater-
medium" ohne Namenangabe ganz unverfroren der Frau Ä.
auf das Konto setzt, welche nicht das Mindeste damit zu
thun hat. Wenn Herr Dr. B. ein bischen in Deutschland
Bescheid wüsste, so wüsste er, was mit einem „Vatermedium14
(S. Bietigheim!) gemeint ist. Frau Rothe ist freilich nach
dieser letzten Hamburger Sitzung krank geworden und zu
Bette gegangen. Wer darf sich darüber wundern! — Von
den Hamburger Anklagepunkten bleibt nun also noch der
einzige übrig, dass Frau Ä. einen Korb mit kunstlichen
Blumen, der bei Tische „apportirt" wurde, in einem nahen
Laden gekauft haben soll, zu welchem sie sich angeblich
ohne Kopfbedeckung begeben hatte. Ich denke, die Un-
wahrscheinlichkeit, dass ein Medium, bei welchem echte
Appurte erwiesenermaas?en (cfr. auch „Sphinx44 1894, März,
S. 232) unter striktesten Bedingungen erfolgen, in einer
fremden Stadt barhaupt in einen Laden laufen soll, um
einen grossen Korb mit künstlichen Blumen zu kaufen,
welchen ins Haus und gar noch auf den Tisch zu schaffen,
ohne dabei bemerkt zu werden, über die Kräfte des grössten
Taschenspielers gehen dürfte, — geht doch etwas über alles
Denkbare hinaus, und die Identifizirung der Käuferin mit
Frau Rothe, auf die Untersuchung einer einzigen Frau hin,
ist doch eine starke Zumuthung. Die nachdrücklichste Versicherung
der Zeugin, namentlich angesichts der damals
herrschenden Aufregung, kann über diese Unwahrschein-
lichkeit nicht hinweghelfen.
Ich mu8S gestehen, dass es mir als ein einfaches Gebot
der Gerechtigkeit erscheint, bei den in Hamburg vorliegenden
Umständen, welche nach so langer Zeit nicht
mehr ganz aufgehellt werden können, mindestens Frau
ß. „ab instantia" zu absolvieren, obschon ich für meine
Person von ihrer auch dort bewiesenen Ehrlichkeit überzeugt
bin. —
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