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182 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 3. Heft. (März 1901.)
Ohne mir daher aus der Ferne ein kompetentes Urtheil
über Frau Rothe anmassen zu können oder zu wollen, erlaubte
ich mir, Herrn Professor Sellin auf diese meine Bedenken
nochmals aufmerksam zu machen und zugleich auf den grellen
Widerspruch hinzuweisen,in welchem seine jetzige scharfe
Verurtheilung des zweiten tföAn'sehen Artikels, der mir selbst
nur als die logisch klare und konsequente Fortsetzung des
ersten erscheint, zu seiner eigenen sehr günstigen Beurtheilung
des letzteren stehe, nach welcher ihm sämmtliche ernste
Spiritisten hätten eine Dankadresse daiür schicken sollen
(Februar-Heft S. 110)1
Hierauf erhielt ich nun am ü. Februar als Antwort
ein aus Berlin datirtes längeres, von groben Beleidigungen
gegen Bohrt und meine Wenigkeit wimmelndes Schreiben,
worin uns die fernere Mitarbeiterschaft gekündigt wird, weil
Schreiber sein Urtheil zu Gunsten der Frau Rothe mit
apodiktischer Sicherheit abgegeben und an dem, was er
einmal mit seinem ehrlichen Namen gezeichnet habe, keinen
weiteren Zweifel von Personen, denen die eigene Erfahrung
abgehe, gestatten könne. Der „Bohnschwiudel" soll nun
auf einmal fast noch grösser sein als der im Januai- und
Februarheft gegeisselte „Theosophenschwindel". Das von
Prof. Sellin offenbar missverstandene, von Dr. Bolin auf
S. 252 ihm gemachte Kompliment, dass ersterer die erste
Arbeit des letzteren „glänzend recensirt" habe, wird als
unwahre, resp. „unverfrorene" Behauptung hingestellt, mir
selbst überlassen, die Redaktion „aus meinem durch Sach-
kenntniss nicht getrübten ingenium heraus" wie bisher
weiterzuführen und schliesslich erklärt, wenn es nicht gestattet
sein soll Dr. Bohn als „Auchforscher" öffentlich
zu brandmarken, so seien die „Psych. Stud," für Herrn
Prof. Sellin „fortan Luft" u. s. w.
Ich gestehe, dass mich diese unerwartete Wendung der
Sache im tiefsten Herzen betrübt, dass es mir aber widerstrebt
, auf die mir wegen meiner Mahnung zur Vorsicht
und zur Versöhnung gemachten schweren Vorwürfe weiter
zu reagiren, da ich mit Sophokles Antigone von jeher den
Grundsatz festhielt: ,,Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin
ich da." Ich habe Herrn Professor Sellin gegenüber bei
seinem hiesigen Besuch, der mich so sehr erfreute, mein
grosses Bedauern darüber ausgesprochen, dass mir trotz
eifrigstem Bemühen seit dem Jahr 1893, wo ich zunächst
in Stuttgart die Leitung der dort begründeten „Psychologischen
Gesellschaft" übernahm, ausser den von mir schon
früher in den „Psych. Stud." und der „Uebersinnlichen Welt"
berichteten Fällen niemals die oft gesuchte, aber stets mit
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