Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
28. Jahrgang.1901
Seite: 232
(PDF, 194 MB)
Bibliographische Information
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232 Psychische Studien. XXV11I. Jahrg. 4. Heft. (April 1901.)

Genie ist im eigentlichen Sinne Produktionskraft,
angeborener Fleiss, der sieh nicht mühsam quält, sondern
im raschen Wurf die Arbeit vollendet. Wir brauchen das
Wort Fleiss sehr oft an unrechter Stelle. Arbeiten ist noch
lange nicht Fleiss. Von Fleiss kann nur die Rede sein,
wenn im wichtigen Moment alle Kräfte aufs Höchste gespannt
sind. In diesem Sinne war Bismarck ein Genie und fleissig,
und alle bedeutenden Männer sind es auch. Es klingt recht
eigentümlich, wenn man sagt: gleich Gutes leisten können
nicht alle, aber fleissig sein können alle. Ja, das ist einfach
falsch! Es können eben nicht alle Menschen fleissig sein;
darum kann man auch von Manchem hören: „In mir haV
ich's schon, aber ich kann's nicht von mir geben."

So ist die weibliche Kraft die Kraft alles Lebens, die
mütterliche Kraft die Bedingung alles Fortschrittes, wie es
wiederum Goethe in seinem Faust angedeutet hat. Ja, der
Gegensatz ist wunderlich: einen Goethe zieht das Weibliche
hinan, einem gewöhnlichen Sterblichen hängt es wie ein
Bleiklumpen an den Füssen! Dass zu dieser weiblichen
Produktionskraft die männliche Eezeptionskraft unbedingt
nöthig ist, leuchtet ohne weiteres ein. Das Vorherrschen
der Produktionskraft ist der Typus des Künstlers, das
Uebergewicht der Eezeptionskraft der Typus des Gelehrten.
Auf je höherer Stufe beide gleichzeitig stellen, je grösser
werden natürlich die Leistungen des betreffenden Menschen
sein. Ich erinnere dabei wieder an Goethe, der sowohl als
Künstler wie als Gelehrter gleiche Bedeutung hat. Dass
diese beiden Typen Ausnahmen sind in der grossen Masse
der Lebenden, ist selbstverständlich. Ein studirter Mann ist
noch lange kein Gelehrter, und solche die malen und dichten,
sind damit noch lange keine Künstler, „Genies", im eigentlichen
Sinne, welche die Menschheit vorwärts bringen.

Sollten wir diese Typen nun nicht auch bei dem Weibe
finden? Muss ein Weib, das nicht studirt hat, unbedingt
dumm sein? Und kann ein anderes nicht künstlerisch veranlagt
sein, ohne mit Werken an die Oeffentlichkeit zu treten? Das
Geistesprodukt im eigentlichen Sinne, das Neue ist nur die
Idee. Sie ist es sowohl in der Wissenschaft wie in der
Kunst. Aber die Kunst ist ideenreicher, weil sie überhaupt
das Reich der Idee ist. Freilich spricht jede Kunst ihre
eigenthümliche Sprache. Der Maler muss die Idee ganz
anders fassen als der Dichter, der Bildhauer anders als der
Musiker. Maler und Bildhauer haben etwas Gemeinsames,
wie Dichter und Komponist. Jene sprechen im Sinnlichen
das Seelische aus, während uns diese im Seelischen das
Sinnliche gemessen lassen. Aber Seelisches und Sinnliches


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