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286 Psychisohe 8tudien. XXVIII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1901.)
II. Abtheilung.
Theoretisches und Kritisches.
ReTncarnation.
Zum Andenken an Oiordano Bruno.*)
Letzte Arbeit vom f Pastor Max Gubalke.
Zur Einleitung.
[Bruno wurde 1548 als Sohn eines Soldaten in der
neapolitanischen Stadt Nola geboren. In jugendlichem Alter
trat er in den Dominikanerorden, wobei er den Vornamen
Giordano annahm; mit 24 Jahren erhielt er die Priesterweihe
. Mit Feuereifer studirte er die alten wie die neuen
Schriftsteller und versuchte sich in dichterischen Arbeiten.
Aber die Selbständigkeit seines Geistes führte ihn bald zu
Widersprüchen gegen die bestehenden Lehrmeinungen, die
er nicht verbarg. Der drohenden Anklage wegen Ketzerei
entzog er sich, 28 Jahre alt, 1576 durch die Flucht. Er
irrte durch die italienischen Städte und dann über die
Alpen 1580 nach Genf, das er nach kurzem Aufenthalt
wegen seiner Angriffe auf kalvinistische Gelehrte verlassen
musste. Ueber Lyon kommt er nach Toulouse, 2 Jahre
später, 1582, nach Paris; von beiden Universitäten vertreiben
ihn akademische Streitigkeiten. Sein lebhaftes Naturell
weiss er nicht zu zügeln, jede Beschränkung ist ihm unerträglich
; so ist er unduldsam gegen Andersgesinnte, unverträglich
und daher unstet. In England findet er 1583
Hofgunst und vornehme Freunde; in London entstehen
seine bedeutendsten, italienisch geschriebenen Werke, deren
glänzende Darstellungsweise ihn zum ersten philosophischen
Schriftsteller seines Jahrhunderts machte, so namentlich
seine Satyre auf Aberglauben aller Art: Spaccio de la
*) Vergl. Aprilheft 1900, Fussnote S. 224. — Dieses von unserem
unvergesslichen Mitarbeiter hinterlassene Manuskript sollte ursprünglich zur
300jährigen Todesfeier des grossen Nolaners fertig werden, welchem vom
heiligen Officium in Rom unter anderen Ketzereien bekanntlich auch seine
Lehre einer Wiederverkörperung vorgeworfen wurde, die mit Bibel
und Dogma im Widerspruch stehe. Eben aus diesem Grund stellte Verf.
seine Studie, die wir ohne Abänderung (auch in der Rechtschreibung) zum
Abdruck bringen, fast mehr unter den theologischen als den philosophischen
Gesichtswinkel. Zur Ergänzung der von ihm beabsichtigten, leider nicht
mehr vollendeten Einleitung über Leben und Schaffen des berühmten Begründers
des modernen Pantheismus mögen die obigen Notizen dienen, die
wir theilweise einem in der Frankfurter Zeitung veröffentlichten Erinnerungsblatt
von Kurt Lassivitz entlehnen.
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