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314 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1901.)
Vorgänge, sondern zur beglaubigten Feststellung jener Personen
eintreten. Dr. Walter Bormann, München, Oettingen-
strasse 27, I. r. April 1901.
ft) Gebetmühle und Lebensrad in einem
tibetanischen Kloster. Zwei eigenartige Gegenstände
des buddhistischen Kultus schildert K. Futterer in seinem
soeben erschienenen Buche „Durch Asien." Er hat sie auf
der mit Dr. Holderer zusammen im Sommer 1896 unternommenen
Reise durch die centralen TJieile Asiens in dem
Kloster Schin-se im nordöstlichen Tibet beobachtet. In
diesem Kloster befanden sich zahlreiche kleinere Gebäude
mit Gebetmühlen und farbig gemalten Heiligenbildern auf
Schiefertafeln oder Steinplatten, die mit ihren breiten
Glorienscheinen und in der ganzen Farbengebung lebhaft an
die Darstellungen in kleinen Kapellen katholischer Länder,
z. B. Tirols, erinnern. Die Gebetmühlen sind theils einfache,
sehr abgenützte und schmutzige Leder- oder Holzrollen; zum
Theil sind sie gänzlich bemalt und mit Schriftzeichen geschmückt
. Von den ersteren besass eine besonders grosse
Ton 2,5 Meter Höhe und 1.5 Meter Durchmesser ein eigenes
kleines Häuschen. Zuweilen befinden sich an derselben Achse
zwei Rollen übereinander; an diesen scheint das Gebet
besonders wirksam zu sein. In anderen Hallen sind eine
ganze Anzahl Gebetrollen mit ihren senkrechten Achsen
nebeneinander aufgestellt. Beständig sieht man Tanguten,
Männer wie Frauen, an den Reihen der Gebetrollen entlang
laufen und diese in drehende Bewegung setzen; dabei gehen
sie stets so, dass sich das Gebäude zu ihrer Rechten befindet.
In der Vorhalle eines grösseren Tempels sahen dann die
Reisenden Gemälde auf Leinwand, von denen eins ein sogenanntes
Lebensrad darstellte. Es war ein etwa drei
Meter hohes und zwei Meter breites Bild, das die Auleinanderfolge
und die Regionen der Wiedergeburten
veranschaulichte. Das Rad ohne Anfang und ohne Ende
ist das symbolische Zeichen der Quintessenz der
buddhistischen Lehre, dass der Tod nur die
Form verändert, das Leben aber kontinuirlich weiter
dauert bis zum Untergange des Universums. Die Darstellung
zeigt einen grossen Kreis, der von einem Götzen mit Händen
und Füssen umklammert wird. In der Mitte ist ein runder
Raum ausgespart, der ein schwarzes Ungeheuer, am ehesten
noch einem Schwein vergleichbar, einen papageienartigen
Vogel und eine geringelte Schlange enthält; die Thiere folgen
sich im Kreise und eines hält das andere am Schwänze
gepackt; sie versinnbildlichen die drei Versuchungen ,,Begierde,
Uebelwollen und Thorheit/' während das Monstrum, welches
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