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Gubalke: ReYncarnation.
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Weisen des Orients, gedacht haben. — Und schon dieses
muss ein gutes Vorurtheil dafür wirken. Die erste und älteste
Meinung ist in speculativen Dingen immer die wahrscheinlichste
, weil der gesunde Menschenverstand sofort darauf
verfiel. Dieses älteste System ist, wie ich glaube, auch das
einzig wahrscheinliche." Ganz ähnlich spricht sich der
Archäologe Burnet aus: „Es ist dies eine uralte und
allgemeine Lehre, da sie nicht nur überall im ganzen
Morgenlande, sondern auch bei den Druiden und bei den
Pythagoräern herrschte. Diese Lehre ist gleichsam wie vom
Himmel gesandt, vaterlos, mutterlos, ohne Abstammung im
Umkreis aller Länder verbreitete So hat schon Heraklit,
von dem der Ausspruch: xö öcbfia cfj[ia> d. h. der Leib ein
Grab, berichtet wird, diese Unsterblichkeit öffentlich vertreten
. „Wenn wir leben, sind unsere Seelen todt und
begraben, wenn wir eher sterben, erwachen unsere Seelen
zum Leben."
Die indische Philosophie, welcher an speculativem Tiefsinne
, innerer Geschlossenheit und scharfer Consequenz keine
zweite an die Seite zu stellen ist, ist auf unserer Lehre
aufgebaut. Sie ist gewissermassen ein vorweggenommener
Darwinismus auf psychischem Gebiete \md nach meiner
Ueberzeugung berufen, der Jungbrunnen zu sein, in welchem
abendländisches Christenthum und Philosophie naturwissenschaftliche
Läuterung und Durchdringung erfahren werden,
um in widerspruchsloser, ein wandsfreier Synthese das religiöse
wie das Causalitätsbedürfniss zu befriedigen und die Führung
der Culturentwickelung zu übernehmen. Die Lehre von der
Wiederverkörperung ist mit vollem Rechte ein verklungener
Grundton des Christenthums genannt worden. Sie war vordem
nicht nur anerkannt in der Geheimlehre der Juden,
sie war auch, wie Josephus uns berichtet, ein Lehrsatz im
Glaubensbekenntniss der Pharisäer. Das alte Testament
verräth seine Bekanntschaft mit dieser Lehre an verschiedenen
Stellen, so z. B. Hesek. 34, 23: „Ich will ihnen
einen einzigen Hirten erwecken, der sie weiden soll, nämlich
meinen Knecht David" Mal. 4, 5: „Siehe, ich will euch
senden den Propheten Elia, ehe denn da komme der grosse
und schreckliche Tag des Herrn." Vor allem aber 2. Makk. 7,
23 und 29: „Es wird der, der die Welt und alle Menschen
geschaffen hat, euch den Odem und das Leben gnädiglich
wieder geben." So redet die Mutter zu ihren sieben Söhnen,
die Antiochus IV. hinmartert, — und dann zu dem jüngsten:
„Darum fürchte dich nicht vor dem Henker, sondern stirb
gerne wie deine Brüder, dass dich der gnädige Gott sammt
deinen Brüdern wieder lebendig mache und mir wiedergebe."
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