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356 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1901.)
als was er schliesslich in die Worte zusammenfasste: „Es
sei ihm nicht gelungen, die Identität mit den Personen, für
welche sich die Geistererscheinungen ausgaben, festzustellen.
Ein zukünftiges Leben sei für ihn fortwährend ein undurchdringliches
Geheimniss. Ueberzeugt sei er dagegen, dass
unsichtbare, intelligente Wesen existiren, die die Geister
abgeschiedener Personen zu sein vorgeben." Hier ist nun
den Zweifeln aller Art Thür und Thor geöffnet, und des
Streitens auf diesem Gebiet, ob Animismus, ob Spiritismus
u. s. w., ist bekanntlich kein Ende. Weder die theo-
sophische Richtung ä la Blavats/cy*), noch der du Prel'sche
„metaphysische Individualismus", noch irgend eine sonstwie
aufgestellte Theorie hat in dem allgemeinen Gewirre Stich
zu halten vermocht. Von einem „Wissen" ist so wenig die
Bede, dass man mehr wie je an den berühmten Ausspruch:
Ignorabimus! erinnert wird; oder an Herder, der viel früher
schon sagte: „Thöricht verioren wäre jeder Gedanke, der
die Geburt der Seelen in eine andere Welt auch nur traumweise
beschreiben wollte. Ins eigentliche Dispensatorium des
Lebens zu dringen, sei keinem Sterblichen gelungen und
werde ihm auch nie gelingen." Wenn irgend etwas den
Namen Okkultismus, den die Transseendental-Psychologie
trägt, zu rechtfertigen vermag, so ist es wohl der Umstand,
dass sie, an diesem Punkt angelangt, nicht über ihren
eigenen Schatten zu treten vermag. Nomen et omen!
Ein aufklärendes Wort über meinen Artikel „Ein
Kampf um Schatten".
Die Herren L. Bernhard und Dr. Hübbe-Schleiden haben
sich die etwas unnöthige Mühe genommen, meine gelegentlichen
Bemerkungen über die sogen. Adyar-Theosophie
im Januarheft der „Psych. Stud." mit einer sachlich selbstverständlich
nur die Oberfläche berührenden, persönlich aber
nicht gerade freundlichen Entgegnung zu beantworten. Um
nun nicht in Folge der durchweg schiefen Gesichtspunkte
dieser Entgegnung meinen Artikel in der unklaren Beleuchtung
zu lassen, in welche er dadurch gerückt ist, ersuche
ich die geehrte Red. d. Bl., den nachfolgenden Zeilen
*j Vergl. hierzu den bemerkenswerthen Artikel des Herrn Verl
in der „Zukunft4 (vom 2. März er.) über , Theosophie und moderne
Wissenschaft", mit welchem sich auch der „Vahan4, eingehend beschäftigt
hat. — Ii ed.
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