Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
28. Jahrgang.1901
Seite: 360
(PDF, 194 MB)
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360 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1901.)

wir von einem Kunstgenie sprechen, müssen wir das Genie
auch in allen anderen Berufsarten anerkennen. Oder ist es
nicht genial, wenn uns der Baumeister sein gigantisches
Werk vor unseren Augen aufsetzt? Oder, wenn ein Kaufmann
mit seinem Geschäfte ganze Kontinente umspannt?
Oder, wenn ein Begent ein Volk aufwärts führt zur Höhe
„reiner Menschlichkeit?" Ach, wie viel könnte man nicht
noch anführen, wo der Genius den Werken sein Siegel
aufgediüekt hat! (Jnd von dieser grossen Arbeit, von diesem
heiligen und höchsten Streben soll das Weib ausgeschlossen
sein, eben weil es Weib ist? Es muss „physiologischen
Schwachsinn4* besitzen, weil es sonst keine richtige Mutter
sein könnte? Und einige wenige anatomische Untersuchungen
sollen das beweisen?

O, wenn ich an meine gute Mutter denke, wenn ich
jetzt im Geiste noch einmal in ihr seelenvolles Auge b3icke!
Wenn ich mich ihrer Rede erinnere, die mich allezeit begeisterte
zu allem Guten und Hohen, die mich die rechten
Wege wies, meiner Mutter, die soviel und so heldenhaft
geduldet und gelitten! Und, wenn ich dann wiederum an
die Phrase vom „physiologischen Schwachsinn des Weibes"
oder an Schopenhauer^ Kapitel „Ueber die Weiber" denke,
dann beschleicht mich's wie ein Ekel vor solchen Gedanken,
und ich kann solche Männer nur bedauern, die das Leben
nur die niedersten Typen weiblichen Geschlechtes kennen
lernen Hess.

Nein, das Weib ist nicht ausgeschlossen, „vom goldenen
Baume des Lebens" auch seine Frucht zu brechen, wenigstens
nicht seitens der Natur und der Vorsehung; und wo es sich
nur selten und zaghaft hervorgethan hat, da hat es der
Egoismus, die „psychische Kraft" des Durchschnittsmannes
gefesselt.

Damit kommen wir dem Kernpunkte unserer Frage
immer näher, denn die Frage nach dem Genius hat auch
eine historische Seite, und ich frage billig noch einmal; Ist
denn das, was wir heute Genie nennen, auch zu allen Zeiten
als solches anerkannt worden? Können wir überhaupt von
einem bleibenden Werthe der hinterlassenen Werke reden?
Ich muss diese Fragen verneinen. Denn es gab Zeiten, wo
man Geister, denen wir heute Denkmäler setzen, durchaus
nicht als Genies anerkannte. Ich brauche da gar nicht auf
die Zeit der Scheiterhaufen zurückzugehen, sondern erinnere
nur, um ein einziges leuchtendes Beispiel aus der Gegenwart
herauszugreifen, an Arnold Böcklin. Was beweist es
uns? Es gab Zeiten, da man sogenannte „klassische Werke"


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