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Tolstoi's Glaubensbekenntniss
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gering und unfähig der Ueberlegung ist. „Jetzt bist Du mit
dem Bannfluch belegt, Du wirst nach dem Tode in ewige
Qualen gestürzt werden, und Du wirst krepiren wie ein
Hund... Fluch über Dich, alter Dämon... Sei verflucht."
So spricht einer dieser Menschen zu mir. Ein anderer macht
der Regierung zum Vorwurf, mich noch nicht in ein Kloster
eingesperrt zu haben und füllt seinen Brief mit groben Beschimpfungen
. Ein dritter schreibt: „Wenn die Regierung
Dich nicht verschwinden lässt, werden wir selbst Dich zum
Schweigen zu bringen wissen." Der Brief endet mit Verwünschungen
. „Um Dich zu vernichten, Verruchter," schreibt
mir ein vierter, „werde ich die geeigneten Mittel finden..
Es folgen Schmähungen, die der Anstand mir verbietet zu
wiederholen. Bei einigen Personen, denen ich begegnet war,
seitdem die Nachricht von dem Synodalbesehluss sich verbreitet
hatte, hatte ich schon die Zeichen dieses heftigen
Zornes bemerkt. Am 25. Februar, am Tage seiner Veröffentlichung
, hörte ich, als ich über einen Platz ging, die
folgenden Worte: ;,Das ist der Teufel in Menschengestalt."
Und wenn die Zusammensetzung der Menge anders gewesen
wäre, so hätte es wohl sein können, dass man mich zu
Boden geschlagen hätte, wie jenen Unglücklichen, den man
vor einigen Jahren bei der Panteleimonovskaia-Kapelle
niederschlug. So ist der Beschluss des Synods in seiner
Gesammtheit schlecht. Die paar Schlusszeilen, in denen die
Unterzeichner ankündigen, dass sie Gott bitten, aus mir einen
ihresgleichen zu-machen, sind nicht im Stande, ihn zu bessern.
Er ist nicht weniger ungerecht in den Einzelheiten wie im
Ganzen. Ich habe die Kirche verleugnet, die sich orthodox
nennt. Das ist völlig wahr. Aber ich habe nicht die Kirche
verleugnet, weil ich, wie es in dem Beschlüsse heisst, mich
gegen den Herren erhoben hätte. Ich habe sie im Gegen-
theil verleugnet, weil ich mit allen Kräften meiner Seele
habe Gott dienen wollen. Nachdem ich einige Zweifel über
die Wahrheit der Kirche bekommen hatte, habe ich mehrere
Jahre dem theoretischen und praktischen Studium ihrer
Lehre widmen zu müssen geglaubt, bevor ich sie abschwor
und mit einem Volke brach, mit dem mich eine unaussprechliche
Liebe verband. Ich habe einerseits mich gezwungen,
alles zu lesen, was sich auf diese Lehre bezieht; ich habe
mich dem Studium und der kritischen Prüfung der dogmatischen
Theologie hingegeben und andererseits habe ich mich
länger als ein Jahr allen Vorschriften der Kirche gewissenhaft
unterworfen, alle Fasten beobachtet und allen Gottesdiensten
beigewohnt. Und ich habe mich überzeugt, dass
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