Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
28. Jahrgang.1901
Seite: 371
(PDF, 194 MB)
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Der Augenblick des Todes,

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drang. In diesem Augenblicke geschah es, dass an meinem
Geiste äusserst schnell und kaleidoskopisch zahlreiche
Episoden aus meinem Leben vorbei defilirten, offenbar die,
die den stärksten Eindruck auf mich gemacht hatten und
damals den wesentlichen Inhalt meines Ichs ausmachten.
Den Ausdruck „defiliren" gebrauche ich absichtlich, denn
mir schien, als ob diese Bilder nicht gleichzeitig wären.
Ausserdem glaube ich sagen zu können, dass ich nicht eine
vollständige Reihe sah, sondern dass Lücken darin wären,
und dass die Bilder in einer bestimmten Ordnung, und zwar
chronologisch umgekehrt, vorbeiglitten. Es waren
ausserordentlich scharfe, klare, plastische Bilder. Ich sah
mich selbst objektiv, wie einen anderen. Die Bilder, die
ich in meiner Erinnerung behalten habe, waren eine Vorstellung
von dressirten Hunden, die ich vor einigen Tagen
gesehen hatte; mehrere Szenen aus meinem Schulleben,
Prügeleien mit meinen Kameraden, der Unterricht des
Lehrers, der Wettbewerb um den Platz in der Klasse und
um Schulprämien; ferner Züge aus der Katechisation und
aus religiösen Oeremonien; Einzelheiten vom Tode meiner
Eltern, speziell meiner Mutter, und endlich ein grosses
Räthsel, das ich vor zwei Jahren erlebt hatte, dessen ich
mich aber wohl kaum noch jemals erinnert hätte, wenn es
nicht auf diese eigenartige Weise wiederholt worden wäre:
an einem stürmischen Sommertage sah ich emmal die Sonne
ohne Strahlen wie eine blutige Kugel durch die Wolken
scheinen, ich glaubte, sie solle erlöschen und die Welt solle
untergehen. Diese Revue von Ereignissen ging nicht bis zur
Kindheit zurück, sondern umfasste nur drei bis vier Jahre,
entweder weil es mir aus meinen frühesten Jahren an Er-
innerungen fehlte, oder weil ich das Bewusstsein verlor.
Denn ich hatte ja in Wirklichkeit das Bewusstsein verloren,
als man mich rettete." —

Differiren nun auch in den zahlreichen Berichten so
manche Einzelheiten, so darf man doch wohl im Ganzen so
viel sagen, dass bei den Personen, die in der vollen Kraft
ihres Lebens dem Tode plötzlich ins Auge sehen müssen,
der Augenblick des Todes entfernt nicht so schrecklich ist,
wie ihn sich viele vorstellen, sondern im Gegentheil in der
Regel schön und mild. Dr. Sollier berichtet über eine
junge Frau, die Morphinistin war; er behandelte sie nach
der Methode, die ohne Uebergang die Anwendung von
Morphium vollständig abschneidet und bei der wiederholt
Bewusstlosigkeit einzutreten pflegt. Sie hatte die feste
Vorstellung, dass sie sterben müsse. Auge und Gehör hatten

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