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402 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1901.)
Dasein zu führen, bei dem ich mich geistig bethätigen und
so vielleicht der Menschheit, wenn auch noch so bescheidene,
doch immerhin noch einige Dienste leisten könnte?** —
Soweit jene vom Verstorbenen mit Bleistift geschriebene
Skizze. Es wird nun aber gewiss die verehrlichen Leser der
„Psych. Stud." noch besonders interessiren zu erfahren, wie
das Interesse unseres Freundes für den Okkultismus
wachgerufen wurde. Darüber schrieb er mir seiner Zeit:
„Nach dem plötzlichen Tode meines Vaters flutheten auf
mich 100,000 kleine und grosse Dinge ein: war ich jetzt
doch der einzige Haus- und Familienrepräsentant. Kein
Wunder also, dass ich Nacht und Tag in fieberhafter
Erregung und Thätigkeit verbrachte und mich in der unerträglichsten
, zerrissensten Stimmung befand, so dass ich
gar oft den mit wahrhaft verklärtem Antlitz in der seligsten
Ruhe daliegenden Todten herzlich beneidete und gern mit
ihm zu tauschen gewünscht hätte, hätte ich einen solchen
Wunsch nicht als abscheulichen Egoismus meinerseits erkannt.
So war es gegen 10 Uhr Abends geworden; ich hatte seit
nun 24 Stunden, seit dem vortägigen Abendessen, an welchem
noch der Verstorbene Theil genommen, absolut Nichts zu
mir genommen und war beständig auf den Beinen gewesen;
doch hatte ich weder ßedürfniss nach Ruhe, noch nach sonst
irgend was. Düster und verbittert rannte ich bald dorthin,
bald dahin, Aufträge ertheilend, Anordnungen treffend, an
Versäumtes erinnernd u. s. w. Ich war soeben im Zimmer
gewesen, wo mein Vater aufgebahrt lag, hatte dort Einiges
gerichtet und begab mich nun eiligen Schrittes weg, um
gewisse Vorbereitungen zum Leichenbegängniss zu treffen,
als es mir auf ein Mal einen Ruck gab, so dass ich in
meiner eiligen Bewegung plötzlich stillstand und sozusagen
mit offenem Munde stehen blieb: es hatte mich wie ein
elektrischer Schlag berührt — und nun fühlte ich, wie
die schwere Last in meinem Innern schwand, eine unendlich
ruhige und friedliche Stimmung Platz griff. Innerhalb
weniger Sekunden war ich innerlich völlig umgewandelt,
und empfand nunmehr auch Appetit und Ruhebedürfniss,
so dass ich mit Ruhe zu essen und zu trinken und dann
noch einige Stunden m schlafen vermochte. Wem ich
dafür zu danken hatte, unterlag für mich vom ersten Moment
an keinem Zweifel. War mh's doch, als hätte ich ihn
geradezu sprechen gehört: ^Geh', mach keine Dummheiten!
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen!", wie er
oft zu sagen pflegte." —
Dr. Emil von Krasnicki war am 3. März 18Ü0 geboren
und heirathete am 21. Juli 1894. Er hiuteilässt ein Söhnchen
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