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406 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1901.)
das ihm gehört hätte, bei mir. Ich dachte jedoch, es würde
immerhin interessant sein, zu erfahren, was sich ohne irgend
welches derartige Hülfsmittel erreichen lasse. Ich schnitt
also aus einer Zeitung die Namen der Gesandten heraus,
von denen man damals glaubte, sie seien bereits niedergemetzelt
worden, obschon eine dies bestätigende Nachricht
noch nicht eingetroffen war, falte'e den Ausschnitt so zusammen
, dass man die Namen nicht lesen konnte und eilte
in die delphische Höhle.
Mme. Mongruel \susste nicht, wer ich war. Ich hatte
einen Dolmetscher bei mir, so dass für Alles, was sie sagte,
zwei Zeugen vorhanden waren. Ich setzte ihr nun auseinander,
ich sei wegen einiger Freunde sehr in Sorgen. Sie frug mich
sofort nach irgend einem Gegenstand, der mit Einem von
diesen Leuten in Berührung gekommen wäre. Ich sagte ihr,
ich hätte Nichts derart, könne ihr aber die betreifenden
Namen auf einem zusammengefalteten Zeitungsausschnitt
geben; sie möge dann sehen, was sie damit thun könne.
Dies war am 7. Juli. Sie erwiderte, es sei dies sehr schwierig,
aber sie wolle versuchen, ihr Bestes zu thun. Sie nahm nun
den Zeitungsausschnitt in die Hand und legte ihn ganz
zusammengerollt auf die flache Hand, ohne ihn überhaupt
geöffnet oder nach den Namen gesehen zu haben. Dann
begann sie:
„Diese Leute befinden sich in grosser Unruhe. Es führt
mich dies eine weite Strecke von hier weg, über viele Meere
und Länder hinweg zu einem sehr heissen Land. Menschen
giebt es dort von allen Farben. Ich denke, es ist China.
Es herrscht dort grosse Verwirrung und Blutvergiessen; ich
kann aber nicht klar unterscheiden, w*s eigentlich los ist."
„Sagen Sie mir, bitte", — sagte ich — „ob die Leute
noch am Leben oder schon todt sind,"
„Sie leben noch", sagte sie, raber sie können jeden
Augenblick getödtet werden. Mehr kann ich Ihnen nicht
sagen, wenn Sie mir nicht irgend einen Gegenstand bringen,
der diesen Leuten gehört."
So ging ich denn wieder weg und suchte nun irgend
Jemand aufzutreiben, der mir den nothwendigen, auf die
richtige Fährte leitenden Gegenstand geben könnte. Nachdem
ich eine Zeitlang kreuz und quer herumgelaufen war,
fand ich endlich den Grafen Cassini, der mir drei kleine
Stückchen gelbe Seide gab, die er so liebenswürdig war,
von den befranzten Quasten einer aus Elfenbein geschnitzten
Riechbüchse abzuschneiden, die ihm der gegenwärtige Kaiser
von China gegeben hatte.
Am 31. Juli ging ich dann wieder zu Mme. Mongruel
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