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410 Psychische Studien. XXVIII. Jahr*?. 7. Heft. (Juli 1901.)
Peking losmarschiren. Sie werden die Stadt erreichen,
werden sie angreifen und, sobald der Angriff beginnt, wird
der Befehl gegeben werden, die Gesandten zu tödten. Allein
in dem Augenblick, in dem die chinesischen Truppen mit
dem Angriff auf die Gesandtschaften ernst machen wollen,
werden sie plötzlich von einer Panik erfasst. Sie fliehen
zurück und damit scheinen die Gesandten gerettet zu sein.
Wenigstens sehe ich keinen von ihnen todt. Es ist doch
merkwürdig, — fuhr sie fort und schien dabei weit in die
B'erne zu spähen —, dass sich unter den Truppen der Verbündeten
, die Peking angreifen, keine Deutschen befinden.
Sie müssen sich doch auf irgend einem Theil des Kriegsschauplatzes
befinden. Sie sind tapfere Krieger, diese
Deutschen, und werden grosse Siege erringen, aber ich sehe
sie nicht in Peking. Es sikd Engländer, Russen und Franzosen,
die ich sehe, aber keine Deutschen. Ich weiss nicht, wie
das kommt."
Ich muss hier bemerken, dass erst einige Tage
nach dieser Sitzung die Nachricht nach Europa gelangte
, dass die Gesandten alle gerettet seien, und dass sich
in der aus verschiedenen Kontingenten zusammengesetzten
Armee, die zum Ersatz der Pekinger Gesandtschaften herbei
eilte, keine Deutschen befunden hätten. —
Nachdem „la Dormeuse* verschwunden und Mine.
Mongruel wieder erschienen war, frug mich diese bange, was
„la Dormeuse" gesagt habe. Ich erwiderte ihr. „la Dormeuse"
habe uns sehr gute Nachrichten gegeben, und uns gesagt,
die Gesandten seien noch alle am Leben und würden nicht
getödtet werden.
„Ich glaube kein Wort davon", sagte Mme. Mongruel.
„Ich bin sicher, sie sind todt. Denken Sie nicht auch so?"
„Ja", sagte ich, „ich würde auch so denken, wenn nicht
„la Dormeuse" das Gegentheil gesagt hätte. In den ersten
Sitzungen behielt sie Recht, und wir befanden uns im Irrthum
; also wird sie wohl auch jetzt wieder Recht behalten."
„Es ist eine sehr merkwürdige Geschichte", sagte sie.
„Sie müssen abwarten und zusehen,"
*
Ich möchte nun nochmals auf die Sitzung vom 31. Juli
zurückkommen. Nachdem „la Dormeuse" in dieser das
Durcheinander und das Blutbad in Peking geschildert hatte,
frug ich sie, ob sie wohl noch etwas weiter in die Zukunft
sehen könne.
„Gewiss", erwiderte sie, „es steht ein grosser Krieg mit
viel Blutvergiessen in Aussicht."
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