Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
28. Jahrgang.1901
Seite: 421
(PDF, 194 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1901/0431
v. Seeland: Ueber den Selbstmord aus Liebe.

421

lieber den Selbstmord aus Liebe.

Von Dr. IT. v. Seeland.

Eine Stelle in Herrn Hofrath SeiUng's Artikel „Zur
Selbstmordfrage" *) bezieht sich auf die Aeusserung, welche
ich über den moralischen Werth (besser Unwerth) eines
Selbstmordes aus Liebe machte. Nicht etwa weil es meine
Meinung ist, welche Herr Seiling nicht billigt, halte ich es
für nothwendig, dieselbe zu vertheidigen, sondern weil es sich
hier um ein wichtiges Thema handelt, dessen allzu milde
Behandlung schon viel Unglück angerichtet hat. Indem ich
mich im Allgemeinen der Selbstmordfrage durchaus mit
Herrn Prof. Maier1 % Ansicht, wie dieselbe in der Fussnote
S. 167—168 ausgedrückt ist, einverstanden erkläre, bleibe
ich im besonderen Falle des Liebesselbstmordes entschieden auf
meinem früheren Standpunkt. Unter allen Selbstmorden gehört
dieser zu denjenigen, welche am Wenigsten zu rechtfertigen
sind. Allerdings hat die Geschleehtsliebe einen höchst bedeutungsvollen
Endzweck, die Fortpflanzung; dies berechtigt
den Menschen jedoch keineswegs, seinen Geschlechtstrieb in
so einseitiger, überschwenglicher Weise zu pflegen, dass ihm
die Versagung eines einzelnen, wenn auch noch so ausgezeichneten
Individuums die ganze Welt gleichsam entvölkern
und nur den Weg zum Grabe offen lassen müsste.
In letzterem Sinne aber fassen es leider die betreffenden
Liebetrunkenen auf.

Was hier besonders beachtet werden muss, ist der
doppelte Gesichtspunkt, von dem eine solche That beurtheilt
werden sollte, aber leider nur allzuhäufig nicht wird. Nimmt
sich Einer aus Liebe das Leben, so wird das Ereigniss in
der Regel nur von der individuell tragischen Seite her
betrachtet; man bewundert die Kraft der Selbstentäusserung,
man beklagt die Qualen, die der Verblichene ausgestanden
haben muss, man bedauert das blühende, jetzt zertretene
Leben u. s. w. Damit beschreibt man jedoch nur die eine
Seite des Blattes, indes die andere leer bleibt, und in dieser
Einseitigkeit besteht auch die Gefahr der dichterischen
Verherrlichung solcher Geschehnisse; an sich mag eine
solche Schöpfung zu den schönsten Blumen der romantischen
Poesie gehören, sie bleibt doch nur eine Halbheit, diese
aber wird von jugendlichen Heissspornen nur zu oft für ein
Ganzes gehalten. Die andere Seite des Blattes aber sollte
von den sonstigen Interessen und Pflichten des Menschen

*) „Psych. Stud.Ä 1901, März, 8. 165.


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1901/0431