Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
28. Jahrgang.1901
Seite: 422
(PDF, 194 MB)
Bibliographische Information
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422 Psychische Studien. XX VIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1901.)

handeln; ein richtiges Fazit kann erst dann gezogen werden,
wenn beide Seiten der b'rage erwogen werden sind.

Nie wird man überhaupt zur richtigen Werthsehätzung
einer That der Verzweiflung kommen, so lange man sich
1 blos an das Element des individuellen Schmerzes klammert,

ohne den Ursachen, welche denselben aufkommen Hessen,
Rechnung zu tragen. Wie im leiblichen Leben ein Schwächlicher
und Verzärtelter, in Folge einei mittelmässigen Ursache,
z. B. einer nicht schweren chirurgischen Operation, sich vor
Schmerz schon verzweifelt geberden kann, indes ein Aufgeklärter
und Standhafter dieselbe ohne Weiteres aushält,
so verhält es sich auch im psychischen Gebiet; ja die
Differenzen können hier noch weit grösser und mannigfaltiger
sein. Je nach dem Umfang und der Mannigfaltigkeit
der Seelen kr äi'te kann eine und dieselbe feindliche
Einwirkung ganz verschieden aufgefasst werden: den Minen
übermannt sie sofort, der Andere lässt sich durch sie noch
lange nicht aus dem Sattel heben.

Wie viele Beispiele sehen wir doch, wo unerfahrene,
ungebildete oder einseitig gebildete, furchtsame, oder sonstwie
verkümmerte Menschen durch Dinge zur Verzweiflung
gebracht werden, die einen besser Bestellten kalt lassen, ja
ihm lächerlich erscheinen können. Man denke z. B., wie viel
unnöthige Gewissensbisse, überhaupt unbefugte Seelenqualen
daraus entstanden sind, dass sich die unmündigen Massen
durch den Kleinkram einer von Dogmcm und Aberglaubeu
strotzenden Religion bethören Hessen und nun von herrschsüchtigen
Priestern tyrannisirt wurden,*) indes der Jünger
einer aufgeklärten Religion sich über dergleichen hinwegsetzt.

Es kommen mitunter Selbstmorde aus solchen Ursachen
vor, die einem normalen Menschen geradezu lächerlich erscheinen
müssen. Vatel, der Leibkoch Ludwig*$ XIV\, hatte
einst auf Reisen das „Unglück", seinem Gebieter den Braten
zu verderben. Seinem Küohenehrgeiz war das zu viel und
— er nahm sich das Leben. Auch in diesem armen Hirne
mögen die Wogen der schmerzlichen Gefühle hochgegangen
sein, bevor es sich zum Abtreten entschloss, und in dieser
Hinsicht fühlt man sich, dem Selbstmörder gegenüber,
natürlich zum Mitgefühl bewegt; aber — eine That, wo sich
das Tragische dermaassen mit dem Kleinlichen und Komischen
verquickt, kann im Ganzen kein Gegenstand der Hochachtung
, geschweige der Bewunderung sein. —

*) Und solche» kam nicht blos in katholischen Ländern vor: im
pre^byterinnisehen Schottland des 17. und 18. JahrhunderK / I> wai
e-. noeh ärger, und die unaufhörlichen Drohungen mit ewigen Höllen-
Fialen brachten die Bedrohten öfters zur Verzweiflung (Buckle).


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