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428 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1901.)
andere Ursache haben, welche über unsere Sinne hinausgeht,
also übersinnlich, — transscendental ist.
Und solche Vorgänge giebt es zu Hunderten. Es ist
unmöglich, hier eine Thatsachenreihe anzufügen, es genügt
auf die Berichte wissenschaftlicher Gesellschaften, gelehrter
Forscher — kurz auf die spiritistische Litteratur zu verweisen,
natürlich nur auf jene, welche der wissenschaftlichen
Forschung ihr Dasein verdankt.
Wenn ich z. B. (ura den seltensten Fall zu nennen) die
Erscheinung eines Freundes habe in dem Augenblicke
seines räumlich entfernt von mir eintretenden Todes, so kann
ich sehr wohl die animistische Erklärung zulassen, dass
durch konzentrirtes Denken an mich in dem Gehirne des
Sterbenden ein Beiz ausgelöst wird, der sich mir durch die
Ferne mittheilt, in meinem Gehirn den kongruenten Beiz
auslöst und in Folge dessen eine Halluzination, die Gestalt
des Sterbenden, auftritt. Oder unsere beiden Gehirne sind
in Folge früheren intimen Zusammenlebens harmonisch in
Uebereinstimmung gebracht worden, so dass ein gewaltsamer
Eingriff in das eine im anderen einen Nachhall (bezw. ein
Mitvibriren — Bed.) erweckt (telepathische Erscheinung).
Es ist aber selbstverständlich, dass eine derartige Empfindungsmittheilung
aus weiter Ferne einen Träger, einen
Vermittler voraussetzt; denn Mittheilung ohne Vermittler
ist Absurdität. Wie bei Licht, Wärme, Telegraphie ohne
Draht, so muss auch hier ein Stoff vorhanden sein, dessen
Wellenbewegung der Träger jenes mitgetheilten Empfindungsmodus
ist. Ob ich diesen Stoff Aether, Urstoff, Feinmaterie,
Od nenne, ist vollkommen nebensächlich. Er besteht, was
diese angeführten ThatSachen zwingend beweisen.
Nun heisst ein Hauptsatz der Naturwissenschaft: gleiche
Wirkungen entsprechen gleichen Ursachen. Wenn ich nun
dieselbe Erscheinung längere Zeit nach dem Tode des Betreffenden
habe, ohne dass ich von seinem Tode
weiss, ihn also noch lebend glaube, so sehe ich
hier dieselbe Wirkung wie oben — Erscheinung —, die
Ursache müsste aber (nach der animistischen Annahme —
Bed.) eine andere sein, was dem Hauptgesetz „gleiche
Wirkungen — gleiche Ursachen" widersprechen würde. Der
Einwurf, dass ein allgemein anerkanntes Naturgesetz für
diese okkulten Phänomene keine Giltigkeit haben könne, ist
nicht ernst zu nehmen, da Materie den Naturgesetzen
immer unterworfen sein muss. Die Ursache im ersten Falle
ist eine Beizauslösung bei einer lebenden körperlichen
ßealität, die Ursache im zweiten Falle muss die gleiche
sein; da aber der Körper nicht in Betracht kommen kann,
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