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460 Psychische Studien. XXVIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1901.)
Das Medium steht zwar im Anfange eines Grippe-Anfalls
, ist aber gut aufgelegt (was nicht häufig ist). Sie ist
am Nachmittag mit einer Person meiner Familie in der
Metropolitan Opera gewesen, im „Barbier", und bittet
Herrn T. S.. mit seiner schönen Tenorstimme etwas zu
singen. Er setzt sich an das Piano und singt 'Pense'es
d'automne' von Massenet. Dann versuche ich einen Phonographen
, um womöglich die Stimmen aufzunehmen (es war
in dieser Sitzung aber nicht möglich). Das Volkslied, das
ich eingesetzt hatte, wird vom Instrumente in einer Weise
wiedergegeben, dass wir alle laut auflachen. Wir sind demnach
in ziemlich heiterer Stimmung und gar nicht voll der
erwartungsvollen Spannung, die, wie man sagt, die M'utter
der Hallucinationen ist.
Das Medium zieht sich in eine Ecke des Zimmers
zurück, wo Frau C. (die Aufseherin) sie genau untersucht
und sich überzeugt, dass sie keine weisse Unterkleidung hat
(selbst das Hemd ist schwarz; ein Korset trägt Mrs. S.
nicht). Die Oberkleidung ist vollständig schwarz. Nun
wird das Medium gebunden. Ein starkes Seidenband,
1% Meter lang, 8 cm breit, mir gehörig, wird ihr um den
Hals gelegt, und ich binde sie in Aller Gegenwart und in
vollem Lichte mit einem chirurgischen Knoten, den ein
dritter Knoten festhält, und zwar so eng, dass man nur
knapp mit dem Zeigefinger zwischen Knoten und Hals
kommen kann. Dr. Z. und Herr S. T. sind mir behilflich.
Wir setzen das Medium auf einen Stuhl im Kabinet, an
dessen Vorderwand mit dem Gesichte nach der Oeffnung.
Die Enden des Bandes führe ich durch die zwei Löcher
in der Vorderwand, 49 cm von der Oeffnung entfernt. Das
Band wird so angezogen, dass die rechte Wange des
Mediums die Wand berührt. Die Enden bindet Dr. £.
aussen an der Wand mit einem starken Doppelknoten zusammen
(sodass man mit dem Pinger nicht zwischen Knoten
und Wand kommen kann), macht auch noch einen Doppelknoten
in die herabhängenden Enden. Nachdem wir alle
drei die Enden untersucht haben, konstatiren wir, dass das
Medium die Haltung, in der wir es geknebelt haben, unmöglich
verlassen kann.
Die Portiere des Kabinets wird herabgelassen, das
Licht regulirt; wir nehmen im Halbkreise Platz. Es ist
9 Uhr 8 Minuten (die Zeit notirt Dr. L.) 24 Minuten darauf
, bei völliger Stille, da wir weder musiciren noch
singen, sehen wir Licht zwischen den Vorhängen schimmern
, und oben am Kabinet, zu unserer Rechten, erscheinen
aussen, mehr als zwei Meter auseinander, ein grosser
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