Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
28. Jahrgang.1901
Seite: 482
(PDF, 194 MB)
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482 Psychische Bturtien. XXVIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1901.)

Capitals hängt in Nichts mehr davon ab, dass wir uns
erinnern, wie und unter welchen Verhältnissen das Capital
erworben worden ist. Die Erinnerung kann nur einen den
Genuss erhöhenden oder mindernden Affektionswerth beanspruchen
. — So viel über die Eiinnerung an sich, welche
schon im Rahmen dieses einen Lebens als eine sehr partielle,
lückenhafte, unzuverlässige, werthlos*e sich erweist. Schopenhauer
macht folgende Bemerkung über die Erinnerung: „Sie
befasst nicht das Heale, sondern die Vorstellung, nicht die
genossene Lust, noch den Schmerz, sondern blos, was dabei
Vorstellung war. also Nebenwerk, Einkleidung. Daher
begreifen wir weder unsere vergangenen Schmerzen, noch
die entflohene Lust so recht, sondern haben blos ihre trockenen
Mumien, die Vorstellungen, welche als Einkleidung sie begleiteten
, in kalter Erinnerung." Dass nun gar eine Erinnerung
aus dem früheren Leben in das jetzige herüberreichen
soll, dazu fehlen, normaler Weise, alle Bedingungen, da jedes
neue Leben sich in einer neuen Person darstellt und unser
Gedäehtniss etwas durchaus persönliches, nichts anders als
eino phonogrammatische Punktion des Gehirns ist, welches
seine Aufnahmen nur innerhalb des Umkreises eines persönlichen
Lebens macht, mit demselben entsteht und vergeht
. Indes wenn auch alle gehirnhewusste Erinnerung des
Vorlebens fehlen muss, so setzt sich doch praktisch eine
unbewusste Erinnerung fort, das sind die Anlagen des
Charakters und Intellekts, welche wir eine Mitgift des Vorlebens
für das jetzige nennen dürfen. Was fragt auch der
Landmann im Besitz und Genuss seiner Ernte nach dem
Wetter, den Mühen und den Erlebnissen der Tage der
Bestellung und Aussaat? Wahrlich nur Unüberlegtheit
kann aus der Erinnerungslosigkeit einen Einwurf gegen die
Wiederverkörperung formuliren. Im Gegentheil: „Wohl mir,
dass ich es vergesse, sagt Lessing, dass ich schon einmal
da gewesen bin! Die Erinnerung meiner vorigen Zustände
würde mir nur einen schlechten Gebrauch der gegenwärtigen
zu machen erlauben!" Wenn ich im Leben eine „unverdiente
Gnade<{ anerkennen müsste, dann die, dass wir uns der
früheren Entwickelungsphasen nicht erinnern, dass wir
vergessen, was und wie wir gewesen sind. Wie schwer
lastet schon die Schuld dieses einen Lebens auf uns, für
welche wir vergeblich nach einem Lethetrunk schmachten!
Wie lähmend wirkt die Erinnerung an alle jene dunklen
Stunden, in denen wir schwach waren, zu Fall gekommen,
gegen unsere Bestimmung uns verfehlt haben! Wie schmerzt
wie eine offene, sich nicht schliessen wollende Wunde das
Wehe, das wir Anderen zugefügt! Mit welcher Scham erfüllt


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