Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
28. Jahrgang.1901
Seite: 483
(PDF, 194 MB)
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Gubalke: ReYncarnation.

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die Erinnerung an den Wahn, in welchem wir ehedem so
lange befangen waren I Wahrlich, dieses Leben schon mit
seiner Schuld genügt, um nach Paulus die göttliche Traurigkeit
zu erzeugen, die eine Reue wirket, die Niemand gereuet,
und wie wahr sind die Worte Goethe'%:

„Ach unsere Thaten selbst, so gut als unsere Leiden,
Sie hemmen unseres Lebens Gang.* —

Wenn nun aber zu aller Bürde, die dieses eine Leben
häuft, noch die Erinnerung an alle Schäden und trüben
Erfahrungen unseres Vorlebens hinzu käme, so müsste ein
Gott unter solcher Last zusammenbrechen und das Menschenleben
tönte in die eine grosse Klage aus: „Ich unglücksel'ger
Alter, die ganze Welt der Schmerzen muss ich tragen!"
Giebt es aber andererseits eine treuere und werthvollere
Erinnerung vergangener Lebensarbeit als die Frucht, die
sie gereift, deren Genusses wir uns nun erfreuen? Erfreuen
wir uns doch schon in diesem kurzen Leben so mancher
Fertigkeiten auf technischem, intellektuellem und sittlichem
Gebiete, ohne uns mehr der Mittel und Mühen zu erinnern,
durch welche wir sie erworben haben! So erkennen wir auch
die Thatsächlichkeit eines Vorlebens, als an seinen Früchten,
an den in dieses Leben mitgebrachten Anlagen und Neigungen,
ebenfalls ohne uns ihres Erwerbs in unserem Vorleben b e -
wusst zu erinnern, und diese Früchte allein erfüllen den praktischen
Zweck, welchen irgend eine bewusste Erinnerung an die
Vergangenheit jemals für die Gegenwart haben kann. Das
Menschenleben ist doch zu ernst, um nur eine unterhaltende
Seheherezade*) zu sein, es leistet aber das Höchste, indem
es in Einem Vollernte eigener Aussaat und Saat auf
Hoffnung ist. —

Es würde zu weit führen, alle die Verbindungsfäden aufzuweisen
, welche die Wiederverkörperung und das „Räthsel"
des Menschenlebens als Kette und Einschlag eines Gewebes
erkennen lassen. Ich meine aber, dass da, wo Vernunft,
Logik und erziehliche Gerechtigkeit sich einen, wo die
Causalitätsforderung des denkenden Geistes zugleich mit
dem gemüthlichen, religiösen Bedürfniss nach einer göttlichen
Gerechtigkeit Befriedigung findet, Religion und Philosophie
nicht einen schwächlichen Oompromiss schliessen, sondern
sich in ihrer Wesenseinheit erkennen, dass da auch die
Wahrheit sein muss, die allein der Schlüssel zum Verständniss
der Wirklichkeit ist. Zu seiner Zeit hatte Hegel etwas
marktschreierisch den endgiltigen Friedensabschluss zwischen
Theologie und Philosophie proklamirt, die nunmehr wie

*) Bekanntlich die Märchenerzählerin in 1001 Nacht — Bed.

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